Microsoft veröffentlicht Studie zur Linux-Migration in München – teilweise

Microsoft hat eine Zusammenfassung der bei HP in Auftrag gegebenen Studie zur Linux-Migration in München veröffentlicht. Die Studie wirft allerdings weitere Fragen auf.

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Von
  • Dr. Oliver Diedrich

Microsoft hat eine Zusammenfassung der von HP erstellten Studie zur Linux-Migration in München veröffentlicht. Vergangene Woche hatte Focus Money Online unter der Überschrift "Haben Udes IT-Experten falsch gerechnet?" einige Zahlen aus einer nicht-öffentlichen Studie zitiert, die Microsoft bei HP in Auftrag gegeben hat. Laut der Studie soll die Linux-Migration der Stadt München mit 61 Millionen Euro deutlich teurer gewesen sein als die 23 Millionen Euro, die die Stadtverwaltung im November letzten Jahres vorgerechnet hatte. Gegenüber heise open hatte Microsoft Deutschland letzte Woche betont, dass es sich um eine interne Studie handelt.

Das Infragestellen der Zahlen aus München unter Berufung auf eine nicht öffentliche und daher nicht überprüfbare Studie hatte erhebliche Kritik ausgelöst. Offenbar als Reaktion darauf hat Microsoft jetzt eine Zusammenfassung der Studie veröffentlicht. Zwei Tabellen darin sollen deutlich machen, wieso HP für die Münchner Linux-/OpenOffice-Umgebung deutlich höhere Kosten veranschlagt als für eine Lösung mit Windows und MS Office. Für die Migration von Windows NT 4 und MS Office auf Linux und OpenOffice veranschlagt HP 60,6 Millionen Euro:

Gesamtkosten einer umfassenden Migration nach Ubuntu Linux mit OpenOffice.org laut HP.

(Bild: Jan-Jürgen Eden, Hewlett-Packard GmbH: Studie über die OSS-Strategie der Stadt München v1 0 - Zusammenfassung)

Eine Migration auf Windows XP und MS Office 2003 hingegen wäre laut der Studie für 17,0 Millionen Euro zu haben gewesen:

Gesamtkosten einer umfassenden Migration nach Windows XP mit Office 2003 laut HP.

(Bild: Jan-Jürgen Eden, Hewlett-Packard GmbH: Studie über die OSS-Strategie der Stadt München v1 0 - Zusammenfassung)

Im November letzten Jahres hatte das Limux-Projekt der Stadt München aufgrund einer Anfrage der Freien Wähler eigene Zahlen vorgelegt. Laut diesen Berechnungen will die Stadt mit Linux und OpenOffice gegenüber einer Lösung mit Windows und MS-Office über 10 Millionen Euro eingespart haben.

Der erkennbar größte Brocken in den Berechnungen von HP sind die Kosten für Fachanwendungen, die laut HP überwiegend auf Windows und die MS-Office-Umgebung abgestimmt sind. Probleme mit den Fachanwendungen und beim Dokumentenaustausch mit externen Stellen waren auch der Hauptgrund für die Rückmigration zu MS-Office in Freiburg. Die HP-Studie veranschlagt hier Kosten von rund 38,5 Millionen Euro, ohne allerdings näher aufzuschlüsseln, wie dieser Betrag zustande kommt.

Dabei geht das HP-Szenario allerdings davon aus, dass alle Fachverfahren auf Linux portiert werden; tatsächlich – darauf weist die Studie auch mehrfach hin – wird ein Teil dieser Fachverfahren jedoch nach wie vor über Terminal Server, in virtualisierten XP-Umgebungen oder auf den verbliebenen Windows-Rechnern unter Windows betrieben. Dieser Ansatz halte "die Kosten für die Einführung des Limux-Basisclients höchstwahrscheinlich [...] gering" und erkläre das "Missverhältnis" zwischen den von der Stadt München genannten 23 Millionen Euro und den von HP berechneten gut 60 Millionen Euro für die Linux-Migration.

Dass die Microsoft-Lösung in der HP-Studie mit 17 Millionen Euro deutlich billiger kommt als in den Berechnungen der Stadt München, die für das Szenario mit Windows und MS-Office 34 Millionen Euro veranschlagt hat, bleibt in der Studie unkommentiert. Grund dafür dürfte die Annahme von HP sein, dass in München heute noch Windows XP und MS-Office 2003 im Einsatz wäre, hätte man sich 2003 in München für den Verbleib in der Microsoft-Welt entschieden; in die Münchner Zahlen ist hingegen ein Upgrade auf Windows 7 eingerechnet.

Auch sonst kann man über einige Voraussetzungen der Studie diskutieren: "Für die Betrachtung der Windows-Seite wurden bevorzugt Zahlen der Firma Microsoft, für die LiMux-Seite bevorzugt Zahlen der Stadt München herangezogen", heißt es auf Seite 10 – allerdings mit einer wichtigen Ausnahme: An den jüngsten Zahlen des Limux-Projekts, die im November veröffentlicht wurden, hat der Autor der Studie "erhebliche Zweifel". Daher hat er seinen Berechnungen stattdessen "vergleichbare Projekte der Firma HP" zugrunde gelegt – welche Projekte das konkret sind, sagt die Studie leider nicht.

Zudem berücksichtigt die Studie nicht, was die Implementierung von ODF-Support in MS-Office gekostet hätte. Ausgangspunkt der Migration in München war nämlich der Beschluss des Münchner Stadtrats, die Münchner IT auf offene Standards und das offene Dokumentenformat ODF umzustellen, um unabhängiger von einzelnen Herstellern zu werden. Microsoft hat die ODF-Unterstützung allerdings erst 2009 mit dem Service Pack 2 für MS-Office 2007 eingeführt.

Siehe dazu auch:

(odi)