Prozesse gegen Mobilcom-Gründer Schmid kommen nicht in Gang

Ex-Mobilcom-Chef Schmid vor Gericht? Da war was und da liegt was seit langem auf Eis. Drei Anklagen sind erhoben - doch das Kieler Landgericht tut sich schwer. Nun könnte sogar Verjährung drohen - die Staatsanwaltschaft ist höchst besorgt.

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Von
  • Karen Katzke
  • dpa

Fast vergessen und womöglich bald verjährt? Mobilcom-Gründer Gerhard Schmid ist immer noch ein Fall für die Justiz – die sich mit seinem Fall seit fast einem Jahrzehnt beschäftigt. Untreue und Bankrottvergehen – für die Vorwürfe der Kieler Staatsanwaltschaft drohen dem Ex-Milliardär und einstigen Star des Neuen Marktes bis zu fünf Jahren Haft.

Gleich drei Wirtschaftsstrafverfahren gegen Schmid stecken am Landgericht noch in der Pipeline. Ein Prozessbeginn ist noch immer nicht in Sicht, sagt Pressesprecherin Rebekka Kleine. Dafür drohen rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen und sogar Verjährung. Für eines der angeklagten Verfahren schon im Sommer 2013, so der Ankläger Oberstaatsanwalt Axel Goos. "Die Staatsanwaltschaft nimmt die Entwicklung beim Landgericht Kiel mit allergrößter Sorge zur Kenntnis", sagt deren Sprecherin Oberstaatsanwältin Birgit Heß.

Mit den Fällen tat sich das Gericht von Anfang an schwer. Die erste der drei Anklagen stammt von 2003, Vorwurf Untreue. Der Verdacht: Schmid soll zwischen 2001 und 2002 – noch vor seiner Insolvenz – rund 70 Millionen Euro auf die Millenium GmbH seiner Ehefrau Sybille Sindram-Schmid überwiesen und Mobilcom um 16 Millionen Euro geschädigt haben. Goos wartet aber noch zehn Jahre später auf den Beginn der Hauptverhandlung. "Termine sind derzeit nicht anberaumt", sagt die Gerichtssprecherin.

Nach der Anklage-Erhebung 2003 war erst eine Kammer zuständig, dann eine andere. Die lehnte Ende 2006 eine Hauptverhandlung ab, wegen fehlenden hinreichenden Tatverdachts. Das Oberlandesgericht gab aber der Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt und eröffnete 2008 nicht nur das Verfahren. Es hielt sogar eine Verurteilung wegen besonders schwerer Untreue für möglich. "Passiert ist seither anscheinend nichts, außer einem Wechsel in den Zuständigkeiten", sagt Goos. Nun ist wieder die 9. große Wirtschaftsstrafkammer zuständig – in neuer Besetzung. "Die Richter sind derzeit damit befasst, einen Sachverständigen zu beauftragen", sagt die Gerichtssprecherin. Er soll schriftlich begutachten, welche Vermögensschäden eingetreten sind.

Folgt man dem Gericht, ist Überlastung der Grund für den Verzug. So läuft in Kiel ein Mammut-Prozesse um Betrug mit SMS-Diensten, der eine Kammer nahezu lahmlegt. Zudem gehen Haftsachen vor. "Das Landgericht bedauert, dass die Verfahren nicht vorrangig und mit größerer Beschleunigung bearbeitet werden konnten", sagt Kleine.

Wie komplex die Sachverhalte sind, verdeutlichen zwei weitere Anklagen, bei denen es um Bankrottvergehen geht. Nummer 2 erhob Goos 2004: Schmid soll – angesichts von Kreditrückforderungen der Sachsen LB über 145 Millionen Schweizer Franken – Unternehmensanteile und Geld im Wert von 1,2 Millionen Euro nach Liechtenstein geschafft haben, um sie einer drohenden Pfändung zu entziehen.

In dem Fall verurteilte das Landgericht Schmid 2009 zu einem Jahr und neun Monaten auf Bewährung. Der Bundesgerichtshof kassierte 2010 allerdings das Urteil auf Revision der Verteidigung. Der Prozess muss von einer anderen Kammer neu aufgerollt werden. Dabei hält der BGH gleichermaßen Freispruch und Verurteilung wegen versuchten Bankrotts für möglich. Um die verzwickte Materie zu klären, riet er, Gutachten einzuholen.

Auch hierfür sucht das Gericht im In- und Ausland kompetente Sachverständige, sagt Kleine. Bis die Gutachten vorliegen, heißt es weiter Warten: "Ein Termin zur Hauptverhandlung kann derzeit nicht anberaumt werden". Dasselbe gilt für Anklage Nummer 3, die im Januar 2011 folgte und auch bei der 5. großen Wirtschaftsstrafkammer liegt.

Der Vorwurf auch hier: Bankrottvergehen. Schmids Ehefrau ist wegen Beihilfe angeklagt. Ihr soll einer der Trusts in Liechtenstein gehören, auf die Schmid laut Anklage zwischen 2002 und 2004 rund 2,8 Millionen Mobilcom-Aktien im Wert von 14 Millionen Euro verschoben haben soll - ebenso am Insolvenzverwalter vorbei wie Erlöse aus dem Verkauf von Spitzenpferden. Dabei soll es um 2,9 Millionen Euro gehen.

Für diese Anklage ermittelte die Staatsanwaltschaft seit 2005. Sie ließ Büros im Fürstentum durchsuchen, Bankmitarbeiter verhören und Akten beschlagnahmen. Vergebens liefen Schmids Anwälte dagegen Sturm. Gerichte in Liechtenstein gaben ihr Okay, der Staatsgerichtshof wies eine Verfassungsbeschwerde zurück. 2009 erhielt Kiel die ersehnten Depot- und Kontounterlagen, auf die sich die Anklage stützt.

Schmid und seine Frau bestreiten die Vorwürfe. Für ihre Verteidiger Marc Langrock und den schleswig-holsteinischen FDP-Vorsitzenden Wolfgang Kubicki sind die Anklagen haltlos. Langrock hatte im bisher einzigen Schmid-Prozess mit über 130 Beweisanträgen für einen Freispruch gekämpft. Kubicki betont, zunächst müssten die Richter sehr aufwendig prüfen, ob Schmid – wie von der Staatsanwaltschaft unterstellt – zum Zeitpunkt der Geldtransfers überhaupt zahlungsunfähig war. "Dass es so lange dauert, überrascht mich nicht, weil die Verfahren so schwierig sind", sagt Kubicki. Die Anklage nennt er "hundsmiserabel". (jk)