Elektronische Gesundheitskarte: Viele Meinungen und ein negativer Grundtenor

Die elektronische Gesundheitskarte hat unter den Ärzten wenige Fürsprecher. Es erscheint fraglich, ob die Karte beim kommenden Deutschen Ärztetag eine Mehrheit finden wird; damit wäre der zum Jahresende geplante Rollout der neuen Karte akut gefährdet.

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Von
  • Detlef Borchers

Die geplante elektronische Gesundheitskarte (eGK) hat unter den deutschen Ärzten wenige Fürsprecher. Während der "Ärztetag der Basis" die Karte rundweg ablehnte und einen Neustart des Telematik-Gesetzes forderte, schlug die Kassenärztliche Vereinigung Hessen eine Karte vor, die zwar das Foto der Versicherten und die lebenslang gültige Versicherungsnummer erhält, sonst aber keinen Speicher für elektronische Rezepte und freiwillige Anwendungen. Auf dem Telematik-Tag der Ärztekammer Nordrhein forderte Philipp Stachwitz, Sprecher der Bundesärztekammer, eine Neukonzeption der eGK. Patient wie Arzt müssten sich freiwillig entscheiden können, ob sie die neuen Möglichkeiten der Karte nutzen wollen. Außerdem soll nach Stachwitz der Notfalldatensatz auf der neuen Karte durch eine "klinische Basisinformation" ersetzt werden.

Addiert man die verschiedenen, über das Wochenende hin diskutierten Positionen zur eGK, so erscheint es fraglich, ob die Karte beim kommenden 111. Deutschen Ärztetag eine Mehrheit finden wird. Mit einer ablehnenden Haltung der Mehrheit der deutschen Ärzte ist der zum Jahresende geplante Rollout der neuen Karte akut gefährdet.

Die Positionen im Einzelnen: In einer Resolution zur eCard hat sich die Freie Ärzteschaft auf dem Ärztetag der Basis entschlossen, die Aktion Stoppt die e-Card! zu unterstützen. Zur Begründung führen die freien Ärzte an, dass bisher keine erfolgreichen Testergebnisse aus den Regionen vorliegen würden. "Die bisherigen Tests waren eine Serie von Pleiten, Pech und Pannen, die 100.000er-Tests, bei denen die eCard unter Echtbedingungen getestet werden sollte, haben noch gar nicht begonnen." Weil die Ärzte nach den Vorgaben des Bundesgesundheitsministeriums und der Projektgesellschaft Gematik keine wirklichen Mitgestaltungsmöglichkeiten bei der eGK hätten, müssten sie die Karte ablehnen und fordern, dass das Mammutprojekt gestoppt wird.

Etwas anders sieht die Resolution der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen aus. Zwar wird auch der Stopp des Projektes gefordert, doch geht es den Kassenärzten neben vorhandenen Sicherheitsbedenken vor allem um die Kosten des Projektes. So soll das Projekt gestoppt werden, "weil Daten im Internet nie hundertprozentig sicher sein können und weil bei realistischem Vergleich mit existierenden Projekten (England) die Gesamtkosten möglicherweise zwanzigmal so hoch sein werden wie die bisherigen offiziellen Kostenschätzungen". Als Alternative zur abgelehnten eGK wird eine erweiterte herkömmliche KSK und der Einsatz von separaten Speichermedien wie USB-Sticks durch den Patienten vorgeschlagen. Die Gematik soll "stattdessen die bisherige Karte mit einem Foto und einer lebenslang eindeutigen Versicherungsnummer versehen. Dies kann zu einem winzigen Bruchteil der bisher veranschlagten Kosten umgesetzt werden; eine gegebenenfalls individuell gewünschte Speicherung von Patientendaten kann auf einem separaten modernen Speichermedium erfolgen".

Auf der Telematik-Veranstaltung der Ärztekammer Nordrhein skizzierte Philipp Stachwitz von der Bundesärztekammer eine dritte Position (PDF-Datei). Stachwitz sprach sich für eine "Neukonzeption" der eGK aus, bei der Alternativen zur Speicherung der Daten auf Servern wie Alternativen zur Speicherung der eGK in Form von anderen Speichermedien geprüft werden. Ein unabhängiges, öffentlich finanziertes Sicherheitsgutachten müsse zudem klären, welches der verschiedenen Konzepte wirklich sicher sei. Zur Einführung einer eGK meinte Stachwitz, dass Ärzte wie Patienten freiwillig entscheiden müssten, wann, wie und mit welchem Umfang sie die neue Technik nutzen wollen. Versicherte müssten die Möglichkeit haben, die eGK wie bisher als "dumme" KSK zu nutzen. Anstelle des aus ärztlicher Sicht sehr fragwürdigen Notfalldatensatzes (auf den sich im Notfall kein Rettungsarzt verlassen würde) schlug Stachwitz die Anlage eines "Basisdatensatzes" mit klinischen Basisinformationen vor, die etwa bei Ankunft in einem Krankenhaus abgefragt werden könnten. Außerdem sprach sich Stachwitz für eine kritische Prüfung weitergehender Konzepte wie der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) durch die Arzneimitteldokumentation auf der eGK und der Führung von elektronischen Patientenakten aus. Auch die immer wieder geführte Kostendiskussion soll nach dem Willen der Bundesärztekammer ein Ende haben: Alle Anwendungen, von denen die Ärzte keinen ökonomisch nachweisbaren Nutzen haben, sollten umfassend durch den jeweiligen Nutznießer vergütet werden.

Siehe dazu auch den Online-Artikel in c't – Hintergrund mit Links zur aktuellen und bisherigen Berichterstattung über die elektronische Gesundheitskarte und die Reform des Gesundheitswesens:

(Detlef Borchers) / (jk)