Eine Rennbahn aus Schallplatten

Musik einmal ganz anders erfahren: Die Vinyl Rally des australischen Künstlers Lucas Abela auf der Transmediale besteht aus alten Arcade-Automaten, ferngesteuerten Autos und 6000 Schallplatten.

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Lesezeit: 3 Min.
Von
  • Manuela Krause
  • Philip Steffan

Der Australier Lucas Abela mag es nicht, wenn Musik aufgenommen wird: "Das mindert die Qualität und die Magie der Musik!" Er liebt die Performance. Als DJ für Experimentalmusik hatte er deshalb in der Vergangenheit schon viel Freude daran, Vinyl zu zerkratzen und zu zerstören, indem er zum Beispiel Nähmaschinen zu Plattenspielern umbaute. Im Rahmen der Ausstellung In That Weird Age, die zum Programm des diesjährigen CTM-Festivals gehört, hat er seinem Standpunkt mit The Vinyl Rally einen genialen Ausdruck verschafft.

Die Installation, die sich durch einen Großteil der Ausstellungsräume zieht und über zwei Ebenen geht, ist Sound Art, Videokunst und kinetische Skulptur in einem. Ein Traum für alle Videogamer, die schon immer mal in einem "Real World Setting" Autorennen fahren wollten. Dazu hat sich Abela zwei defekte Arcade-Automaten aus den frühen 90ern und Fernsteuerungen für Spielzeugautos gekauft. Ein Freund half ihm beim Hacken der ausrangierten Maschinen und machte es möglich, dass die Fernsteuerungen als Schnittstelle zwischen Arcade und Rennauto funktionieren. Wer fahren will, schaut auf den riesigen Bildschirm vor sich: Die Autos haben kleine Kameras an Bord.

Vinyl Arcade (5 Bilder)

Player 1, Player 2

Das Rennen kann zu zweit gespielt werden: Als Controller dienen zwei ausgeschlachtete Renn-Arcade-Maschinen aus den 1990er Jahren. (Bild: Manuela Krause)

Der Boden der Rennbahn ist mit Schallplatten gepflastert, darunter LPs von The Orb und Tom Waits. Vinyl-Fans bricht wahrscheinlich bereits beim Anblick das Herz. Über diese ausrangierten Scheiben rasen die Autos hinweg. Sie sind mit einem Metallstift versehen, der über die Platten kratzt und jede Menge Noise erzeugt. Am Anfang wurden noch Nadeln benutzt, doch diese gingen zu schnell kaputt. Dafür gab es einmal einen tollen Zwischenfall, weiß der erfinderische Künstler aus Sydney zu berichten: "Als bei einem Rennen zwei Autos kollidiert sind, hat sich eine der Nadeln in einer Schallplatte verhakt und fuhr dann im Kreis: Dadurch war plötzlich die Musik auf der Scheibe zu hören."

Aber auch ohne Musik ist der Klang beim Autorennen, egal ob beim Motorsport oder bei Videogames, besonders wichtig. Deshalb hat Lucas Abela sich diesem Thema gesondert gewidmet und mit einem befreundeten Sound-Designer ein paar herrliche Effekte in die alten Arcades eingebaut. Neben dem Lenkrad finden sich am Kontrollboard Drehregler, mit denen beispielsweise ein Ringmodulator, Oszillatoren oder Filter gesteuert werden können. Auch der Pitch, die Tonhöhe, lässt sich verändern und es gibt jede Menge Verzerrung, so dass viele aus dem Publikum beim Steuern der Sounds ganz vergessen, dass sie doch eigentlich Autorennen fahren wollten.

Seit 2009 arbeitet Abela an diesem Projekt. Die Vinylrennbahn, die er in Berlin zum Transmediale-Partnerfestival CTM aufgebaut hat, ist mittlerweile seine zwölfte Version. Neun Tage hat er für den Aufbau gebraucht und mehr als 6000 Schallplatten verwendet. "Alles Spenden, alles Trash", sagt er und freut sich, dass er nicht der einzige ist, der Vinyl für veraltet hält. Der australische Künstler scheint ein Faible für obsolete Objekte zu haben – zur Zeit hackt er alte Flipperautomaten. Sein nächstes Projekt heißt Pinball Pianola.

Vinyl Rally ist noch bis zum 24.02.2013 im Kunstraum Kreuzberg im Künstlerhaus Bethanien zu bestaunen und auszuprobieren. (phs)