Auftakt einer Grundsatzdebatte zur Copyright-Reform

Die EU-Kommission hat den angekündigten "strukturierten Urheberrechtsdialog" mit Interessenvertretern unter dem Titel "Lizenzen für Europa" aufgenommen. Kritiker monieren, dass tiefgreifende Änderungen offenbar vermieden werden sollen.

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Die EU-Kommission hat am Montag in Brüssel den im Dezember angekündigten "strukturierten Dialog" mit Interessenvertretern zum Ausloten nötiger Urheberrechtsänderungen aufgenommen. Das Internet müsse Europäern den weitmöglichsten Zugang zu Qualitätsinhalten geben, erklärte Binnenmarktkommissar Michel Barnier zum Auftakt des unter dem Titel "Lizenzen für Europa" stehenden Forums. Derzeit könnten selbst zahlungsbereite Nutzer grenzüberschreitend etwa kaum Videos anschauen oder erwerben; nur 15 Prozent des europäischen Filmerbes sei online verfügbar. Das Copyright dürfe dafür zwar nicht immer als Sündenbock abgestempelt werden, aber auch nicht weiter ein Hindernis sein.

Gerade bei nutzergenerierten Inhalten oder anderen Formen der Weiterverwendung bestehender Werke sei es für User und kleinere Unternehmen schwierig, die notwendigen Nutzungslizenzen zu erwerben, führte der Franzose aus. Zugleich betonte er, dass es sich bei der Initiative keinesfalls um eine reine
Diskussionsveranstaltung handeln dürfe und werde. Vielmehr schwebe der Kommission ein Ort vor, an dem Marktakteure und Verbraucher zusammenkommen und "schnelle sowie spezifische Lösungen" zu den bestehenden Problemen mit dem Urheberrecht finden müssten. "Der Ball liegt in ihrem Feld", forderte Barnier Ergebnisse ein. Mittelfristig könnten auch gesetzgeberische Anläufe die Antwort auf gewisse Schwierigkeiten geben.

Sie sei nicht erpicht auf "strenge gesetzgeberische Maßnahmen", ergänzte die für die Digitale Agenda zuständige Kommissarin Neelie Kroes. Man arbeite parallel aber auch an diesem Handlungsfeld weiter und habe eine Modernisierung des Urheberrechts durch staatliche Regulierung im Blick. Die Niederländerin hatte sich zuvor mehrfach nachdrücklich für eine umfassende Copyright-Reform ausgesprochen. Bei der neuen Initiative gehe es um den Nachweis, dass "Technologie und das Urheberrecht miteinander auskommen können", konstatierte sie nun. Bisher habe der Widerstand gegen digitale Technologie in Teilen der Kulturindustrie zu "stark polarisierten Debatten" geführt, aber keiner sei daraus als Gewinner hervorgegangen.

Besser sei es, Geschäftspraktiken an die digitalen Möglichkeiten anzupassen, sagte Kroes. So habe der "Spotify-Effekt" etwa dazu geführt, dass "Musikpiraterie in Schweden kein Problem mehr darstellt". Für die französische Verwertungsgesellschaft SACEM bilde der Digitalsektor bereits die drittgrößte Einnahmequelle. Aber etwa auch Forscher könnten und sollten von dem Lizenzierungsvorstoß profitieren, da dieser auch Techniken zum automatischen Extrahieren bedeutsamer Resultate aus großen Text- oder Datenmengen einschließen werde. Sie stellte die Veranstaltung unter das Motto: "Wandel ist nötig und wir sind bereit dafür."

Kulturkommissarin Androulla Vassiliou erinnerte daran, dass "das Urheberrecht die Qualität und die Mannigfaltigkeit kultureller Inhalte sichert". Ohne nachhaltige Investitionen in diesen Bereich sei es schwer vorstellbar, dass das Internet oder soziale Netzwerke weiter wüchsen. Dringend nötig sei es aber, die Transparenz in den Bereichen Copyright und die damit verknüpften Verpflichtungen von Nutzern und Schöpfern digitaler Werke zu erhöhen. Der Dialog biete die Möglichkeit, etwa über den Lizenzerwerb mit einem Klick zu diskutieren, auch für kostenfreie Inhalte. Sie sei gespannt auf die ersten Ergebnisse, die im Juni präsentiert werden sollten.

Die Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net kritisierte, dass es sich bei dem Vorstoß um einen Versuch handle, eine echte Copyright-Reform zu vermeiden. Damit zeige die Kommission ihre Missachtung gegenüber den vielen Bürgern, die gegen das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA gekämpft hätten und nach wie vor gegen eine repressive Urheberrechtspolitik seien. Die Vereinigung monierte weiter, dass drei Viertel der Teilnehmer an dem Dialog direkt oder indirekt die Interessen der Unterhaltungsindustrie verträten und die Zivilgesellschaft sowie Verbraucherschützer unterrepräsentiert seien. (axk)