Koalition in entscheidenden Punkten über Kinderporno-Sperren einig

Union und SPD haben sich darauf verständigt, die Strafverfolgungsklausel aus dem umkämpften Gesetzesvorhaben zu streichen und ein Kontrollgremium für die vom Bundeskriminalamt erstellte Filterliste einzurichten.

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Verhandlungsführer der großen Koalition haben in Teilbereichen eine Einigung über Änderungen am heftig umkämpften Gesetzesentwurf "zur Bekämpfung der Kinderpornografie in Kommunikationsnetzen" erzielt. So wollen die Abgeordneten der Regierungsfraktionen klarstellen, dass die an der geplanten Stopp-Seite anfallenden Nutzerdaten nicht für die Strafverfolgung verwendet werden dürfen, erklärte Martin Dörmann, stellvertretender wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gegenüber heise online. Dazu solle nicht nur die entsprechende geplante Klausel gestrichen werden. Vielmehr werde ein gesonderter Absatz ins Telekommunikationsgesetz (TKG) eingeführt, wonach eine "Echtzeit-Kommunikationsüberwachung" verboten sei. Damit wolle man Ängsten aus der Internetgemeinde entgegenwirken, dass schon das unbeabsichtigte Anklicken einer Seite, die zum Warnschild führt, etwa eine Durchsuchung eines Computers nach sich ziehen könnte.

Verständigt haben sich die Berichterstatter von Union und SPD laut Dörmann auch darauf, dass ein unabhängiges Gremium die Erstellung der Filterliste durch das Bundeskriminalamt (BKA) kontrollieren soll. Dieses könnte gemäß den Überlegungen der Koalition etwa beim Bundesdatenschutzbeauftragten angesiedelt werden. Die Überwacher der Schwarzen Liste sollten "jederzeit darauf Zugriff haben" und "regelmäßig Stichproben durchführen", erläuterte Dörmann den Ansatz zur Verhinderung willkürlicher Entscheidungen der Wiesbadener Polizeibehörde. Persönlich hätte es Dörmann zwar lieber gesehen, wenn ein betroffener Seitenbetreiber ein Widerspruchsverfahren mit einer richterlichen Überprüfung starten könnte. Der nachträgliche Gang zum Verwaltungsgericht stünde aber natürlich offen.

Noch streitig ist Dörmann zufolge, ob die Web-Sperren gemäß dem aktuellen Entwurf hauptsächlich über eine Änderung des Telemediengesetzes (TMG) oder mit einem Spezialgesetz eingeführt werden. Die SPD-Wirtschaftsexperten bestünden hier weiter auf einer eigengesetzlichen Regelung, um die Einschränkung auf kinderpornographische Angebote im Web zu unterstreichen und einer Ausweitung der Blockaden auf kriminelle verfassungsfeindliche oder extremistische Seiten entgegenzuwirken. Auch über eine Befristung des Vorhabens werde noch gesprochen.

Falls in diesen Fragen eine Einigung spätestens kommenden Dienstag erzielt werde, kann der Gesetzesentwurf laut Dörmann noch am Donnerstag in einer Woche beschlossen werden. Andernfalls bleibe die letzte Sitzungswoche des Parlaments vor der Sommerpause Anfang Juli offen. Auf die schweren weiteren verfassungsrechtlichen Bedenken, die Experten bei einer Anhörung im Bundestag vorgebracht hatten, wollen CDU/CSU und SPD demnach offenbar nicht eingehen.

Die grundsätzliche Kritik von Zensurgegnern an einem Gesetzesbeschluss noch in dieser Legislaturperiode und dem damit verknüpften Aufbau einer allgemeinen Sperrinfrastruktur durch die Provider ließ Dörmann nicht gelten. Die technischen Möglichkeiten zu Web-Blockaden würden durch die großen Zugangsanbieter "auf jeden Fall aufgebaut", verwies der Sozialdemokrat auf die entsprechenden Verträge mit dem BKA. Es sei zwar zweifelhaft, ob diese auf Drängen von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) zustande gekommenen Vereinbarungen den rechtsstaatlichen Anforderungen genügen. Doch eine mögliche gerichtliche Überprüfung könne Jahre in Anspruch nehmen. Daher sei das Gesetz nötig, um die Sperren zumindest in geordnete rechtliche Bahnen zu bringen. Prinzipiell sind die Verträge aber jederzeit durch die Provider kündbar. Dieser Vorbehalt gilt unter anderem auch dann, wenn die von vielen Anbietern erwünschte gesetzliche "Absicherung" nicht erfolgt.

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(Stefan Krempl) / (jk)