Mit einem Schaltgetriebe im Elektroauto soll die Reichweite um bis zu 15 Prozent steigen

Doppelkupplungslos mit eDCT

Obwohl heute die meisten Elektroautos mit einer festen Übersetzung unterwegs sind, setzt sich die Erkenntnis durch, dass Schaltgetriebe auch für die Elektromobilität Vorteile bringen. Einen Effizienzgewinn von bis zu 15 Prozent verspricht ein neues Getriebe aus der Schweiz

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  • Florian Pillau
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München, 13. Februar 2013 – Ja, es stimmt, dass Elektroautos keine Kupplung zum Anfahren brauchen und dabei wird es wohl auch bleiben. Obwohl heute die meisten von ihnen, wie etwa Nissan Leaf, Mitsubishi i-MiEV und smart electric drive mit einer festen Übersetzung unterwegs sind, setzt sich jedoch die Erkenntnis durch, dass ein Schaltgetriebe mit mehreren Gängen auch für die Elektromobilität Vorteile bringt. Damit ist nicht der gesteigerte Fahrspaß gemeint, zu dem das manuelle Fünfgang-Schaltgetriebe des sportlichen Roadster Morgan Plus E verhelfen soll. Schon das Kraftpaket Tesla Roadster war zunächst mit einem Zweiganggetriebe ausgestattet. Allerdings hat Tesla mangels Standfestigkeit der Schaltbox zurückgerüstet auf eine feste Übersetzung – jedenfalls vorübergehend. Denn ganz im Gegensatz zu einem Fahrzeug mit Verbrennungsmotor ist es zwar möglich, auf schaltbare Gänge zu verzichten, allerdings zum Preis verringerter Reichweite, eingeschränkter Leistung oder teurerer und schwererer Motoren.

Anriss und Anfahrelement

Einen „Wow-Effekt“ bei Neulingen löst regelmäßig das erste Anfahren mit einem E-Auto aus. „Was für ein Anriss – hat der wirklich nur 68 PS?!“ Was die Menschen so erstaunt (in diesem Fall verstärkt durch die wenig aussagekräftige Leistungsangabe), ist das hohe Motordrehmoment aus dem Stillstand. Es ist so hoch, dass beim E-Auto eine Kupplung fürs Anfahren wegfallen kann. Ein solches sogenanntes „Anfahrelement“ muss beim Anfahren eines Fahrzeugs mit Verbrennungsmotor die Drehzahldifferenz zwischen dem laufenden Motor und dem stehenden Antriebsstrang überbrücken, da ein Verbrennungsmotor im Stillstand keine Kraft abgeben kann. Neben der Reibkupplung an einem manuellen Schaltgetriebe kann dazu auch der vom Automatgetriebe bekannte Drehmomentwandler eingesetzt werden, in beiden Fällen wird während des Anfahrens Bewegungsenergie in Wärme umgewandelt. Und da der Elektromotor seine Drehkraft netterweise dann auch noch über einen vergleichsweise äußerst breiten Drehzahlbereich bereit stellt, kann man auch auf schaltbare Übersetzungsstufen verzichten. Wohlgemerkt: Man kann.

Breites Band

Ein Auto mit Verbrennungsmotor benötigt neben einer Anfahrkupplung die verschiedenen Gangstufen, weil der Motor ein nutzbares Drehmoment nur in einem äußerst schmalen Drehzahlbereich abgibt. Um es beim Anfahren oder Bergauffahren in möglichst hohe Antriebskraft an den Rädern umwandeln oder den Motor auch bei hoher Fahrgeschwindigkeit im Bereich seiner größten Kraft arbeiten lassen zu können, sind mehrere Übersetzungsstufen unumgänglich. Vier oder fünf reichen aus, um vernünftige Fahrleistungen zu erreichen. Dass heute die Zahl der Gänge bis auf das Doppelte steigt, hat vor allem mit der Effizienz zu tun: Man kann so den Motor noch öfter und länger im Bereich seines niedrigsten Verbrauchs betreiben – mit dem gerne genommenen Nebeneffekt eines höheren Komforts durch die kleineren Drehzahlsprünge. Mit der Hand schalten will so viele Gänge natürlich fast niemand mehr – die Getriebe mit mehr als sechs Gängen sind daher fast immer Automatikgetriebe.

Beim Elektromotor ist das zwar bei Weitem nicht so dramatisch, doch auch bei ihm sinkt bei niedriger und hoher Drehzahl die Effizienz der Energieumwandlung von über 90 auf nur mehr 60 bis 70 Prozent. Bei den meisten Elektrofahrzeugen werden Motor und Übersetzung auf einen problemlosen Start an einer steilen Steigung mit vollbeladenem Wagen – vielleicht sogar noch mit Anhänger – ausgelegt. Die Übersetzung wird also kurz genug gewählt für einen Fall, der so gut wie nie eintritt, mit der Folge, dass der Motor fast immer unnötig hoch dreht. Könnte man solche verschwenderische Drehzahlen im normalen Fahrbetrieb vermeiden, stiege die Reichweite um den rechnerischen Differenzwert von zwischen 30 und 20 Prozent.