Zahlenknacker melden Rekordzerlegung in Primfaktoren

Wissenschaftler der Universitäten in Bonn und Lausanne zerlegten in Zusammenarbeit mit dem japanischen Telekommunikationsunternehmen NTT eine 307-stellige Zahl.

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Von
  • Andreas Stiller

Schon seit Jahren ist es Sport der Mathematiker um Professor Dr. Jens Franke und Dr. Thorsten Kleinjung an der Rheinischen Friedrich-Wilhelm-Universität zu Bonn immer größere Zahlen in Primfaktoren zu zerlegen. Solche großen zusammengesetzten Zahlen, insbesondere die RSA-Zahlen (nach Rivest, Shamir, Adelman) werden für Verschlüsselungsverfahren eingesetzt, und die Firma RSA Laboratories hatte eine Challenge-Liste veröffentlicht, verbunden mit einem – je nach Größe – wachsenden Preisgeld von 10.000 bis 200.000 US-Dollar. Die Bonner waren bei der Rekord-Jagd mehrmals erfolgreich und zerlegten im Dezember 2003 den RSA-576 und im November 2005 RSA-640.

Nun hat sich das japanische Telekommunikationsunternehmen NTT zusammen mit den Bonnern und ihrem Kollegen von der Polytechnischen Hochschule in Lausanne, Arjen Lenstra (übrigens ein Bruder des ebenfalls sehr bekannten Zahlentheoretikers Hendrik Lenstra), an die Aufgabe gemacht, die Mersenne-Zahl 21039–1 genauer zu untersuchen. Die entlarvt sich, wie man spätestens auf den zweiten Blick sieht, als zusammengesetzt, mit 5080711 als einfachem Teiler. Aber über den 307-stelligen Koteiler (siehe unten) wusste man bislang noch nichts. Elf Monate ackerten die Rechner (überwiegend in Japan), bis jetzt eine Zerlegung in zwei 80- und 227-stellige Primzahlen gefunden wurde. Die von Ajren Lenstra und den Bonner Mathematikern entwickelte Methode GNFS (General Number Field Sieve) arbeitete dabei in vier Schritten:

  • Kandidatensuche (Rechenzeit: 125,7 Opteron-248-Jahre),
  • Siebberechnung (Rechenzeit 95 Pentium-D-Jahre),
  • Lineare Algebra (zwei Cluster des NTT mit 146 PCs rechneten zwei Monate)
  • Wurzelziehen (wenige Stunden auf dem PC-Cluster der Uni Bonn)

Mit 1017 Binärstellen ist der zerlegte Koteiler nahezu genauso groß wie die noch zur Fahndung ausgeschriebene RSA-1024-Zahl. 1024 Bit ist die derzeit übliche Schlüssellänge.

Als Teiler einer Mersenne-Zahl hat der Koteiler jedoch eine bestimmte Struktur, die das Aufspüren weiterer Faktoren vereinfacht. Für zufällige Zahlen, so betont Kleinjung, schafft man es mit ihrer Methode vielleicht, Schlüssel mit 700 Binärstellen in mehreren Monaten zu knacken. Hier steht also als Herausforderung RSA-704 an. Bis man RSA-1024 wirklich knacken kann, wird es nach Kleinjungs Meinung noch viele Jahre dauern.

Allerdings wird es jetzt kein Preisgeld mehr geben, die Auslobung der RSA Laboratories ist inzwischen ausgelaufen. Wer dennoch ein bisschen experimentieren will, hier die von NTT, Kleinjung, Lenstra und Co zerlegte 307-stellige Zahl:

115942057407257306436980714887689464075389979170201772498686835353882248385
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797078797380618700843777718682868088984471282200293520180607475545154137071
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und die Lösung:

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