Reisefreiheit in Kuba: Bloggerin Yoani Sánchez kann Land verlassen

Die Jahre des Wartens sind vorbei. Für Yoani Sánchez, Dissidentin und Autorin des weltbekannten Kuba-Blogs "Generation Y", kam der langersehnte Tag: Sie darf reisen.

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  • dpa

Für die kubanische Dissidentin und Internet- Bloggerin Yoani Sánchez ist das jahrelange Warten auf eine Ausreise vorbei. Die 37-Jährige checkte am Sonntag in Havanna problemlos zu einem Flug über Panama nach Brasilien ein, der ersten Station einer mehrwöchigen Reise durch rund ein Dutzend Länder. "Ich habe sehr intensive Tage durchlebt, und alles scheint mir wie ein Traum", sagte Sánchez kurz vor dem Abflug. Sie wurde von ihrem Ehemann Reinaldo Escobar, Freunden und Familienangehörigen zum Flughafen gebracht.

Die Behörden hatten ihr in den vergangenen Jahren 20 Mal die Ausreise verweigert. Mitte Januar änderte die Regierung die Migrationsgesetze, wodurch Kuba eine weitgehende Reisefreiheit erhält. Unter anderem fiel die bislang für Reisen benötigte Sondergenehmigung ("Carta blanca") weg, und auch eine Einladung aus dem Ausland ist nicht mehr erforderlich. Zudem dürfen Privatreisen künftig bis zu 24 Monate statt wie bisher nur elf Monate dauern. Grundsätzlich kann jeder Kubaner reisen, der einen Reisepass hat, die notwendigen Finanzmittel und ein eventuell erforderliches Visum des Ziellandes.

Sánchez wurde durch ihr 2007 gestartetes Blog "Generation Y" weltbekannt. Dort kommentiert und kritisiert sie zum Ärger der sozialistischen Nomenklatura um Präsident Raúl Castro die Vorgänge auf Kuba. 2011 setzte sie die Zeitschrift "Foreign Policy" auf die Liste der 100 einflussreichsten Denker der Welt. Man darf in den kommenden Wochen auch gespannt sein auf die Zwischentöne, die Sánchez bei ihrer Kuba-Bilanz anschlägt. Denn das von ihr kritisierte Castro-Regime hat trotz aller bestehenden Unfreiheiten einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung getan.

Sánchez war am 14. Januar eine der Ersten in Kuba, die einen Reisepass beantragten. Erstaunlich unproblematisch erhielt sie ihn rund zwei Wochen später. Dabei kennt Yoani Sánchez das Gefühl, im Ausland zu leben. Zwei Jahre war sie 2002 in der Schweiz. Sie kam 2004 aus familiären Gründen zurück. Und jetzt, wo sie frei reisen kann, denkt sie gar nicht daran auszuwandern. "Wenn ich es schaffe zu reisen, dann um (nach Kuba) zurückzukehren", sagte sie immer wieder.

Sánchez sah den Rummel um ihre Ausreise mit gemischten Gefühlen. "Eigentlich sollte es doch keine Nachricht sein, dass eine Person einen Reisepass hat und an Bord eines Flugzeuges gehen kann", sagt sie. Mit jedem weiterem Flug dürfte das Nachrichteninteresse wohl nachlassen und Reisen zwischen Kuba und der Welt das werden, was sie sein sollten, nämlich normal.

Sánchez wollte in Brasilien im Bundesstaat Bahia an der Vorführung des Dokumentarfilms "Conexão Cuba Honduras" (Beziehung Kuba Honduras) von Dado Galvão teilnehmen. In dem Film geht es um Pressefreiheit, und Sánchez ist eine der Interviewten. Dann läuft der Flugkilometer-Zähler heiß: "Von Brasilen geht's in die Tschechische Republik, danach Spanien, Mexiko, die USA und dann nach Holland. Von Holland geht's nach Deutschland, dann in die Schweiz, nach Schweden, Italien und noch einmal Spanien", rattert sie die Reiseziele runter. Auch Chile und Argentinien sind geplant. Vorträge, Interviews, unzählige Treffen stehen auf dem Programm. Kuba will erklärt werden. (jk)