Schwerer Rückschlag für die Digitale Agenda

Die von den EU-Staatschefs beschlossenen Haushaltskürzungen machen die Brüsseler Digitale Agenda zur Makulatur. Neelie Kroes steht vor den Trümmern ihres ambitionierten Projekts.

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Von
  • Richard Sietmann

Als zentrales Ziel der 2010 von EU-Kommissarin Neelie Kroes vorgestellten Digitalen Agenda galt stets, dass bis 2020 jeder europäische Haushalt mit Geschwindigkeiten von 30 Mbit/s und mehr erreichbar sein soll und bereits die Hälfte aller Haushalte dann Anschlussraten von 100 MBit/s und mehr nutzt. "Die Ziele der Digitalen Agenda sind höchst lobenswert, aber Fortschritte in Richtung auf die 2020 Targets sind praktisch nicht zu verzeichnen", kritisierte jetzt auf der FTTH Conference 2013 Jacek Krauze von der auf Infrastrukturprojekte spezialisierten Beratungsgesellschaft Portland Advisers die Brüsseler Breitbandpolitik.

Der schwedische Europa-Abgeordnete Gunnar Hökmark ging noch einen Schritt weiter. "Liebe Freunde, diese Ziele sind veraltet", erklärte er auf der Veranstaltung, die derzeit mit mehr als 3000 Teilnehmern in London stattfindet. Der EVP-Abgeordnete bemängelte den Rückstand gegenüber den anderen Weltregionen beim Ausbau von Breitband-Glasfasernetzen. "Europa muss seine Anstrengungen auf diesem Feld verstärken".

Für neuen Schwung hatte eigentlich die "Connecting Europe Facility" (CEF) sorgen sollen. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission waren in der kommenden Haushaltsperiode 2014 bis 2020 zur finanziellen Untermauerung der Digitalen Agenda insgesamt 9,2 Milliarden Euro vorgesehen – in den Worten von Kommissionspräsident José Manuel Barroso als "Anzahlung auf Europas künftiges Wachstum und Arbeitsplätze". Von den CEF-Mitteln sollten 2 Milliarden Euro in supranationale elektronische Dienstleistungen und rund 7 Milliarden Euro in den Ausbau von Breitbandnetzen fließen.

Doch wie sich jetzt herausstellte, haben die EU-Staatschefs auf ihrem Gipfel Mitte Februar bei der Deckelung des EU-Haushaltes auf 960 Milliarden Euro auch hier die Axt angelegt. Über sieben Haushaltsjahre verteilt steht jetzt insgesamt nur noch eine Milliarde Euro zur Verfügung. Anthony Whelan, Stabschef der EU-Kommissarin für die Digitale Agenda, Neelie Kroes, versuchte auf der Konferenz gar nicht erst, daran etwas zu beschönigen. "Das ist ein Rückschlag", erklärte er und bedauerte "die Missachtung durch unsere höchsten politischen Führer". Doch "nun müssen wir uns der harten Realität stellen".

Für die verbleibenden 600 Tage ihrer Amtszeit muss Neelie Kroes nun aus den Trümmern eine neue Strategie zimmern. Wie auf der Konferenz in London zu erfahren war, läuft diese in erster Linie darauf hinaus, den Mitgliedsstaaten sowie regionalen Initiativen die Verwirklichung der Breitbandziele der Digitalen Agenda zu überlassen und sich in Brüssel auf koordinierende Aktivitäten zu beschränken, etwa einen europaweiten Breitband-Atlas zu erstellen.

Auf der Agenda der Kommissarin stehen des weiteren noch die seit langem angekündigte Empfehlung zur Netzneutralität, eine neue Empfehlung zum Universaldienst, sowie eine Empfehlung zur Nicht-Diskriminierung unabhängiger Diensteanbieter und schließlich eine Empfehlung zu den Verfahren der Kostenermittlung für die Regulierung der Preise des Netzzugangs in Next Generation Access Networks. (vbr)