Siegfried Kauder: Leistungsschutzrecht nicht durch den Bundestag jagen

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags hat gravierende Mängel an der Anhörung zur geplanten Besserstellung von Presseverlegern im Internet ausgemacht. Die FDP plant umfangreiche Änderungen.

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Siegfried Kauder, Vorsitzender des Rechtsausschusses des Bundestags, hat gravierende Mängel an der parlamentarischen Anhörung zum geplanten Leistungsschutzrecht für Presseverleger in dem von ihm geleiteten Gremium ausgemacht. "Wir stehen vor dem Dilemma, dass wir einen großen Teil unserer Hausaufgaben nicht gemacht haben", erklärte der CDU-Politiker am Freitag in Berlin. So hätten die Abgeordneten und die von ihnen bestellten Sachverständigen etwa das Verfassungsrecht nicht geprüft. Auch europarechtliche Fragen seien unzureichend berücksichtigt worden.

Die Expertenvernehmung habe auch technische Aspekte offen gelassen, betonte Kauder, die am Montag in einer zusätzlichen Anhörung im Unterausschuss Neue Medien erörtert werden sollen. Im Rechtsausschuss müsse zudem "eine neue Runde mit Verfassungsrechtlern" veranstaltet werden, die "in Form eines erweiterten Berichterstattergesprächs" erfolgen könne. Angesichts der Tatsache, dass die Rechtspolitiker ihre Aufgabe nicht zu Ende geführt hätten, dürfe sie das Vorhaben "nicht im Schweinsgalopp durch den Bundestag jagen". Am Ende sitze er sonst beim Bundesverfassungsgericht und müsse für den Beschluss geradestehen.

Kauder will zugleich "mit den Kollegen besprechen", inwiefern der Regierungsentwurf nachzubessern sei. Andernfalls werde er eine persönliche Erklärung zur Verabschiedung hinzufügen und darin dem Bundespräsidenten raten, das Gesetz nicht zu unterschreiben. Dies habe zumindest in einem früheren Fall bereits gefruchtet. Insgesamt plädierte Kauder dafür, Expertenanhörungen anders durchzuführen. Er wolle künftig darauf achten, dass alle Bereiche durch Sachverständige abgedeckt sind. "Bisher haben wir immer Eindruck erweckt, wir würden uns objektiv beraten lassen", erläuterte der Jurist. Dabei schiele jede Fraktion darauf, wer ihr genehme Meinungen vertrete. Er plädiere dafür, Experten bereits heranzuziehen, wenn die Anzuhörenden ausgewählt werden, um deren Unabhängigkeit zu prüfen.

Kauder hatte im Herbst das seit Langem geplante neue Leistungsschutzrecht als "Taschenspielertrick" und "Mogelpackung" bezeichnet. Es sollten Gewinne eines Konzerns abgeschöpft und anderen zugeführt werden, was eigentlich nur über eine Art Google-Steuer ginge. Der Vorstoß greife in Informationsrechte der Nutzer ein, führte er seine Kritik nun aus und baute dabei auf Argumenten eines gerade vom Providerverband eco und Google vorgelegten verfassungsrechtlichen Gutachtens auf. Wenn Verleger technisch verhindern könnten, dass Texte in Suchmaschinen erschienen, stelle sich die Frage, ob das Schutzrecht notwendig sei. Auch die Beachtung des Gleichheitsgrundsatz sei zu prüfen: Es sei unklar, warum es nicht auch für andere Inhalteanbieter jenseits der Presse gelten solle.

Der Berliner Rechtsanwalt Till Kreutzer, der als einer der wenigen Sachverständigen in der Anhörung im Rechtsausschuss bereits verfassungsrechtliche Bedenken vorgebracht hatte, warnte vor einer möglichen Unwirksamkeit des Gesetzes nach einem Beschluss in den nächsten Tagen oder Wochen. Eine EU-Vorschrift besage, dass Regelungen zu Diensten der Informationsgesellschaft vorab der EU-Kommission vorzulegen seien. Danach folge eine Stillhaltefrist von drei Monaten, in denen Brüssel Meinungen Dritter einhole. Eine derartige Notifizierung habe die Regierung bislang nicht angestoßen.

Die FDP-Bundestagsfraktion hat derweil eine Änderung vorgeschlagen, wonach das Leistungsschutzrecht das Anzeigen kleiner Textauszüge in Suchmaschinen in Form von Snippets nicht berühren solle. Die von Google und Bing üblicherweise dafür verwendeten 130 bis 160 Zeichen blieben so außen vor, erläuterte der liberale Netzpolitiker Manuel Höferlin den Korrekturvorschlag gegenüber heise online. Verhindert werden solle weiterhin, dass Aggregatoren online quasi "aus Zeitungen Zeitungen machen" und ganze Texte in eigene Angebote übernähmen. Der Antrag werde derzeit mit der CDU/CSU-Fraktion abgestimmt. Noch sei aber unklar, ob das Vorhaben von der Tagesordnung des Rechtsausschusses am Mittwoch genommen werde und wie der weitere Zeitplan aussehe. Einige Vertreter aus der Union drängten noch darauf, den Entwurf doch noch bereits nächste Woche durchs Parlament zu bringen. (anw)