Schrankenregelung für Blinde weiter umstritten

Die Verhandlungen, wie weit der Schutz des Urheberrechts gegenüber den Rechten von Blinden zurücktreten muss, wurden vertagt. Bis Juni müssen sich die Mitgliedsstaaten nun über die Integration der Blindenschranke ins Urheberrecht einigen.

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Von
  • Monika Ermert

Die Mitgliedsstaaten der World Intellectual Property Organization (WIPO) entschieden gestern in Genf, dass weitere Vorverhandlungen für das geplante Abkommen über Urheberrechtsschranken zugunsten von Blinden notwendig sind. Nach einer Woche harter Verhandlungen vertagte man sich für eine weitere Sondersitzung im April.

Im Kern geht es um generelle Ausnahmen vom Urheber- oder Verwertungsrechten: Sie würden es beispielsweise erlauben, geschützte Werke in Blindenschrift oder in maschinenlesbare beziehungsweise hörbare Formate umwandeln zu können. Schon seit vergangenem Jahr ringt der Ständige Ausschuss für Urheber- und verwandte Rechte um Urheberrechtsausnahmen.

US-Delegationsleiter Hughes erläuterte, im Kern habe man diese Woche über die Einbettung der geplanten Blindenschranke in das System internationaler Verträge zum Schutz der Urheberrechte gerungen. Es gebe aktuell noch etwa sechs bis zehn offene Punkte, die man bei der Sitzung im April klären wolle. Auch EU-Chefin Maria Martin-Prat unterstrich in ihrer Abschlusserklärung, man sei von einem abgestimmten und stabilen Text noch weit entfernt. Vom 18. bis 20. April wolle man nun versuchen, weitere Differenzen auszuräumen. Bleiben zu viele Vertragsregeln streitig, könnte die Vertragskonferenz in Marrakesch im Juni scheitern.

Europa und die USA hätten sich als Hardliner in der Diskussion darüber gezeigt, wie weit der Schutz der Rechteinhaber hinter den Anspruch von Sehbehinderten und Blinden zurücktreten müsse, kritisierte die US-Organisation Knowledge Econology International. KEI-Direktor James Love hatte der EU- und der US-Delegation vor dem letzten Verhandlungstag gestern erneut vorgeworfen, sie machten sich für zu starke Einschränkungen zugunsten der Blinden stark, indem sie eine Maximalversion des Drei-Stufen-Tests im Vertrag verankert sehen wollen.

Der Drei-Stufen-Test regelt die Voraussetzungen für eine Schrankenregelung. So soll die Ausnahme die normale Vermarktung des Urhebers nicht über Gebühr beeinträchtigen. Die Regelung geht auf die Berner Übereinkunft zum Urheberrecht zurück, gilt nach dieser aber nicht für alle Schrankenregelungen. Laut Loves Analyse wurde in internationalen Verträgen die Flexibilität des Drei-Stufen-Tests immer weiter eingeschränkt.

Der Versuch, dem auch von deutschen Experten kritisierten Maximalismus des Drei-Stufen-Tests etwas entgegenzusetzen, ist laut Love bei der Blindenschranke wohl gescheitert. Die EU sei (wie in vorangegangenen Verhandlungsrunden) das größte Problem, die US-Delegation die größte Enttäuschung, schrieb Love auf Anfrage von heise online. Hughes erklärte demgegenüber, der neue Vertrag solle ein Instrument sein, das des Zugang von Blinden zu Büchern helfe. Sie sollten nicht zur Austragung der tieferen Konflikte über das Urheberrecht auf internationaler Ebene werden.

Zum Abschluss gestern zeigten sich aber viele Delegationen und auch die Blindenverbände trotz der harten Auseinandersetzungen hoffnungsfroh, dass bei der Vertragskonferenz in Marrakesch die Blindenschranke verabschiedet werden kann. (uk)