Baustelle KinderServer

Die mit großem Tamtam vorgestellte Kinderschutzlösung "KinderServer" schafft nur scheinbar Sicherheit. Die zum Download angebotene Software für Windows weist erhebliche Mängel hinsichtlich Qualität und Sicherheit auf.

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Von
  • Urs Mansmann

Am gestrigen Mittwoch stellte Bundesfamilienministerin Kristina Schröder mit großem Tamtam eine neue Kinderschutzlösung vor. Das neue Angebot KinderServer soll "sicheren Surfraum" für Kinder schaffen. Allerdings vermag die angebotene Software für Windows, die wir getestet haben, dieses Versprechen noch nicht einmal ansatzweise einzulösen. Wir entschieden uns, die als sicherste Variante gepriesene betriebssystemweite Lösung zu testen in der Version für das verbreiteste PC-Betriebssystem Windows; die Versionen, die zum Einsatz speziell mit den Webbrowsern Firefox oder Chrome angeboten werden, stellen selbst einem unbedarften 5-Jährigen keine größeren Hürden in den Weg.

Die Probleme begannen schon bei der Installation: Als wir intuitiv das Benutzerkonto des Kinds aufsuchten, ließ sich das Programm zwar unter Angabe des Admin-Passsworts installieren und starten, nahm aber die Arbeit nicht auf. Erst nachdem wir uns ab- und wieder angemeldet hatten, um KinderServer zu beenden und erneut zu starten, war der Proxy aktiv.

KinderServer (6 Bilder)

Hauptprogramm für Windows

Der Filter lässt sich durch Eingabe des Elternkennworts komplett deaktivieren.

Der kürzeste Weg zur erfolgreichen Installation führt über einen Nutzer mit Administrator-Rechten. Der muss das Programm installieren und anschließend den Filter im eingeschränkten Kinder-Account aktivieren. Bei der Installation unter Windows 8 irritierte uns, dass der Fortschrittsbalken nicht ganz bis zum Ende lief, die Installation aber trotzdem abgeschlossen war. Während der Aktivierung geben die Eltern ein Passwort ein und hinterlegen noch eine Sicherheitsfrage mit Antwort. Diese werden in die Registrierung geschrieben – immerhin so verschlüsselt, dass sie sich mit einem Hex-String-Konverter nicht decodieren lassen.

Das Programm sorgt dafür, dass alle Anfragen über den Proxy proxy.kinderserver.eu:3128 laufen. Dazu schreibt es diese Werte in die Einstellungen fürs lokale Netzwerk der Windows-Systemsteuerung. Die kann aber auch ein Kind mit eingeschränkten Rechten direkt in den Internetoptionen des Internet Explorer rückgängig machen – ohne das Passwort zu kennen. Der Filter funktioniert also nur bei sehr jungen Kindern ohne Computerkenntnisse oder wenn das Kind kooperiert und die Einschränkung durch den Proxy akzeptiert.

Das Konzept eines Kinderschutz-Proxys hat noch weitere Nachteile: Zwar befindet sich der Server nach Angaben der Betreiber am DE-CIX, dem größten deutschen Austauschknoten in Frankfurt, dennoch stellten wir beim Test Kapazitätsengpässe fest. Fällt der Proxy aus, ist mit aktivem Kinderschutz keine Internet-Verbindung mehr möglich.

Technisch ist der Proxy-Betreiber in der Lage, den Datenverkehr mitzuschneiden, da er über seine Server läuft. Die Nutzung eines Proxys ist also Vertrauenssache. Für die Nutzung des KinderServer ist keine namentliche Anmeldung erforderlich. Per HTTPS verschlüsselte Verbindungen lässt der Proxy nicht zu – und gerade zur Nutzung verschlüsselter Verbindungen sollte man Kinder eigentlich stets anhalten, wenn Webseiten oder -dienste das anbieten. Immerhin kann man in der Software maximal 46 Ausnahmen definieren, deren Verkehr direkt und nicht über den Proxy abgewickelt wird.

Wir testeten die Filterwirkung und stellten fest, dass der KinderServer ziemlich rigide ist. Von unseren getesteten Kinderseiten ließ er immerhin noch 93 Prozent passieren, allgemeine Seiten, etwa von Online-Händlern oder die Informationsseiten von großen Unternehmen nur zu 16 Prozent. Aufklärungsseiten zum Thema Sexualität gelangten zu 6 Prozent durch den Filter, Nachrichtenseiten zu 4 Prozent. Bei der erklärten Zielgruppe von Kindern bis 12 Jahre ist das Ergebnis ordentlich. Wie von einem Whitelist-Filter zu erwarten, filterte er alle Pornoseiten ohne Ausnahme, ebenso die von Videonetzwerken. Nur beim Test der Hass- und Gewaltseiten rutschte ein als Unterhaltungs-Seite deklarierter Facebook-Auftritt mit rassistischer Hetze durch.

Verwirrend ist, dass der Status der Proxyeinstellungen und der Software mitunter auseinanderlaufen. Nach einem Neustart war der Kinderschutzserver scheinbar ausgeschaltet, in Wirklichkeit leitete das Betriebssystem alle Web-Anfragen aber über den Proxy. Zum Ausschalten mussten wir den Dienst erst aktivieren und dann deaktivieren. Nach einem Neustart begann das Spiel wieder von vorne.

Wer das Programm deinstallieren will, muss eine strikte Reihenfolge einhalten: Zuerst das Programm in allen Kinderaccounts deaktivieren, da sonst nach der Deinstallation vorhandene Proxy-Einträge erhalten bleiben. Anschließend muss man die anderen Benutzer abmelden. Erst dann lässt sich das Programm im Admin-Account komplett deinstallieren.

Informationen zum Schutz von Kindern im Netz bietet das c't-Dossier Kinder sicher im Netz. Es versammelt alle Artikel aus dem Schwerpunkt "Kinder sicher im Netz" in c't 5/2013 (uma)