ITU schließt Sabotage an Seekabeln nicht aus

Solange die Untersuchungen zu den jüngsten Beschädigungen von Glasfaser-Backbones im Nahen Osten nicht abgeschlossen seien, müssten auch mutwillige Beschädigungen in Betracht gezogen werden, heißt es bei der International Telecommunication Union (ITU).

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Von
  • Peter-Michael Ziegler

Die Beschädigungen mehrerer Unterwasser-Glasfaser-Backbones im Mittelmeer und im Persischen Golf vor rund drei Wochen könnten nach Einschätzung der International Telecommunication Union (ITU) auch Sabotageakte gewesen sein. Der Leiter des Telecommunication Development Sector bei der ITU, Sami Al Basheer Al Morshid, will vor Abschluss der laufenden Untersuchungen zumindest nicht ausschließen, dass die Kabel vorsätzlich zerstört wurden. "Einige Fachleute bezweifeln, dass ankernde Schiffe die Kabel versehentlich zerrissen haben könnten", sagte Al Basheer bei einer Sicherheitskonferenz in Katar, "schließlich verlaufen die Kabel in großen Tiefen und in Gebieten, die von Schiffen nicht passiert werden dürfen".

Ende Januar waren im Mittelmeer vor Ägypten zunächst die beiden Europa-Asien-Kabel FEA (FLAG Europe Asia) und SEA-ME-WE 4 beschädigt worden. Zwei Tage später musste die FLAG Telecom Group auch den Ausfall des um die Arabische Halbinsel führenden FALCON-Kabels vermelden. Wiederum drei Tage später fiel ein zwischen Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) verlegtes Seekabel aus. Den Angaben zufolge wurde dieses etwa 200 Kilometer lange Kabel aber nicht durchtrennt. Vielmehr soll es Probleme mit der Stromversorgung gegeben haben. Wegen der Häufung der Vorfälle im arabischen Raum machten schnell Verschwörungstheorien die Runde. Beweise für Sabotagehandlungen konnten bislang aber nicht erbracht werden.

Die zum indischen Reliance-Communications-Konzern gehörende FLAG Telecom Group erklärte im Zuge der Reparaturarbeiten, für das Zerreißen des FALCON-Kabels sei ein vor der Küste Dubais ankerndes Schiff verantwortlich gewesen. Gefunden und geborgen wurde an der Unglücksstelle ein fünf bis sechs Tonnen schwerer Anker. Auch für die Beschädigungen des FEA- und des SEA-ME-WE-4-Kabels waren zunächst ankernde Schiffe [Unterwasser-Glasfaser-Backbonesrepariert verantwortlich gemacht] worden. Die ägyptische Regierung erklärte später jedoch, in den zwölf Stunden vor und nach Bekanntwerden der Beschädigung vor Alexandria sei kein Schiff in der Nähe der Kabeltrassen gewesen. Dies hätten Untersuchungen, darunter Auswertungen von Videoaufnahmen, ergeben.

Gerissene Unterwasserkabel sind alles andere als selten. Nach Angaben von Global Marine Systems, einem der größten Dienstleister auf dem Gebiet der Seekabelverlegung und -reparatur, wurden allein im Atlantik im vergangenen Jahr mehr als 50 Kabel beschädigt. Das Unternehmen, das eigenen Angaben zufolge über die größte Flotte von Kabelverlegeschiffen und Unterwasserfahrzeugen verfügt, ist ständig auf allen Weltmeeren im Einsatz. In den Mittelpunkt des Interesses rückten die Vorfälle im Nahen Osten vor allem deshalb, weil davon insbesondere Indien betroffen war, dem Outsourcing-Weltmarktführer. Über die Europa-Asien-Kabel wird ein Großteil des Datenverkehrs von Indien in den atlantischen Raum transportiert.

Zusammengenommen haben die im Mittelmeer gerissenen, inzwischen aber wieder einsatzfähigen Kabel eine Kapazität von etwa 620 Gigabit pro Sekunde. Hinzu kommen mit dem älteren (nicht beschädigten) SEA-ME-WE-3-Kabel rund 70 Gbit/s. Auf dem Subkontinent fielen nach den Beschädigungen zunächst bis zu 60 Prozent der normalerweise verfügbaren Bandbreite weg. Trotz der hohen Reparaturanfälligkeit ist der Trend zu neuen Unterwasserkabeln ungebrochen. Allein im Jahr 2007 dürften nach Angaben des chinesischen Netzwerkspezialisten Huawei Verträge über die Verlegung von Unterwasser-Glasfaserkabeln mit einer Gesamtlänge von fast 100.000 Kilometern abgeschlossen worden sein.

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