Tobit, Shopware, d.velop: Software vom Ende der Welt

Früher gab es im westlichen Münsterland vor allem Bauern und Beamte. Lange her. Heute tummeln sich hier immer mehr Software- und IT-Profis. Tobit, Shopware und d.velop sind Namen münsterländischer Softwarefirmen, die man in ganz Deutschland kennt.

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Von
  • Damian Sicking

d.velop-Chef Christoph Pliete

(Bild: d.velop)

Lieber Christoph Pliete, GrĂĽnder und Chef des Softwareherstellers d.velop AG,

alle Welt schwärmt ja derzeit von der wahnsinnig tollen Gründerszene in Berlin, gerade auch was IT-Startups betrifft. Gut, da ist sicher etwas dran. Aber was man über der Begeisterung für die Gründerszene in unserer Hauptstadt nicht vergessen sollte: auch in anderen Gegenden Deutschlands sitzen intelligente Menschen mit frischen und guten Ideen. Manche von ihnen gründen eine Firma, bringen Produkte auf den Markt und feiern Erfolge.

Eine dieser fruchtbaren Gegenden für junge IT-Unternehmer ist das westliche Münsterland, meine alte Heimat. Dieser Landstrich hat sich in den vergangenen Jahren zu so etwas wie dem Silicon Valley Deutschlands entwickelt. Okay, ist ein bisschen übertrieben, schon allein weil man hier in Ermangelung von Bergen auch nirgendwo ein Tal findet (und jetzt komm mir bloß keiner mit dem sogenannten "Schöppinger Berg"). Aber in der Tendenz kann man das durchaus so sagen. Mit der Tobit Software AG in Ahaus fing alles an. 1986 von Tobias Groten gegründet, ist das Unternehmen inzwischen eine feste Größe in der deutschen IT-Softwarebranche. Rund 250 Mitarbeiter beschäftigt Tobit und zählt damit zu den größten Arbeitgebern der ehemaligen Kreisstadt nahe der holländischen Grenze.

Nur ein paar Kilometer von Ahaus entfernt liegt Schöppingen Hier hat die Shopware AG ihren Sitz. Shopware wurde im Jahr 2000 gegründet und hat sich in kürzester Zeit mit seiner Software für Online-Shops einen vortrefflichen Ruf erworben. Mehr als 400 Vertriebspartner arbeiten mit Shopware zusammen, über 10.000 Kunden zählt das Unternehmen. Jüngster Coup des Unternehmens: Bepado, eine Art Social Network für Online-Händler. Die Idee: Online-Shops sollen ihr Angebot gegenseitig ergänzen. Über Bepado kann ein Händler Lieferant des anderen werden oder dessen Waren einstellen und den Auftrag weiterleiten. Interessant! Derzeit noch im Probebetrieb, soll Bepado in Kürze scharf geschaltet werden.

Wenn man von Ahaus in die andere Richtung fährt, landet man nach ein paar Kilometern in der Glockenstadt Gescher mit ihrer 900-jährigen Geschichte im Glockenbau. Kein Wunder daher, dass Sie, lieber Herr Pliete, schon recht früh erkannten, was die Stunde geschlagen hat. So gründeten Sie im Jahr 1992 das Unternehmen d.velop, ebenfalls eine Softwarefirma mit Spezialgebiet Enterprise Content Management (ECM), elektronische Archivierung, Dokumentenmanagement und Workflow Management. Bis heute hat sich d.velop zu einem kleinen Konzern entwickelt, die Firmengruppe besteht aus 14 Unternehmen mit insgesamt mehr als 450 Mitarbeitern.

Mit anderen Worten: In einem Radius von nicht einmal 30 Kilometern um den Ahaus Kirchturm hat sich in den vergangenen 30 Jahren eine blühende IT-Landschaft entwickelt. Wie gesagt: das Silicon Valley Deutschlands. Damit ist das westliche Münsterland natürlich auch für hervorragend qualifizierte Software-Experten interessant geworden. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, als Tobit-Chef Groten sagte: "Nein, Ahaus ist nicht das Ende der Welt – aber von hier aus kann man es am besten sehen." Gut, wörtlich sprach Groten damals nicht vom "Ende", sondern "Ar…" der Welt, aber wir wollen höflich bleiben. Ob Ende oder Ar…, inzwischen ist das westliche Münsterland in der deutschen IT-Branche tatsächlich "a place to be" (vor allem wenn es mal nicht regnet).

Lieber Herr Pliete, Sie waren mit Ihrem Unternehmen auch in diesem Jahr auf der CeBIT in Hannover. Unter anderem um dort der staunenden Öffentlichkeit "das ECM der nächsten Generation" vorzustellen, wie es ohne falsche Bescheidenheit in einer Firmenankündigung hieß. Gemeint ist damit die neue Client-Generation des d.3 Systems von d.velop, die sich vor allem durch eine besonders einfache und komfortable Bedienbarkeit auszeichnen soll. Daher auch der Slogan "Software ohne Schnickschnack".

Für ein breiteres Publikum interessanter aber dürfte ihre neue Software Foxdox sein. Foxdox ist ein Dokumentenmanagement- und Archivierungssystem, aber in einfach und für jedermann. So eine Art Dropbox, aber aus Deutschland (Westmünsterland!) und mit deutlich erweitertem Funktionsumfang. Getreu dem diesjährigen CeBIT-Motto "Shareconomy" steht bei Foxdox das Teilen der Dokumente im Vordergrund. Nicht nur Privatpersonen untereinander können hier ihre Bilder, Texte und andere Dokumente teilen, sondern auch Firmen oder Behörden haben nun die Möglichkeit, mit ihren Kunden und Bürgern zu "foxen". Auf diese Weise lässt sich eine ganze Menge Geld sparen, versicherten mir Ihre Mitarbeiter Nico Bäumer und Thomas Malessa in einem Interview im CeBIT Studio Mittelstand. Neben einer kostenlosen Basisversion gibt es auch kostenpflichtige Profi-Varianten für Firmen und Behörden.

Interessante Dinge also, die dort in meiner alten Heimat entstehen. Mann, dort hat sich in den vergangenen 30 Jahren wirklich viel getan! FrĂĽher lebten dort vor allem Bauern und Beamte. Die gibt es zwar heute auch noch, aber parallel dazu ist eine lebendige Software- und IT-Szene entstanden. Finde ich klasse.

Beste GrĂĽĂźe!

Damian Sicking

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