Mit Software gegen Verbrechen

Sicherheitsprogramme wie Predpol sollen Polizeibehörden in aller Welt helfen, ihre eingeschränkten Ressourcen besser zu nutzen. Ob das wirklich klappt, bleibt allerdings bislang unerforscht.

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Von
  • David Talbot

Sicherheitsprogramme wie Predpol sollen Polizeibehörden in aller Welt helfen, ihre eingeschränkten Ressourcen besser zu nutzen. Ob das wirklich klappt, bleibt allerdings bislang unerforscht.

Seattle ist seit Ende Februar die jüngste Stadt, in der Sicherheitskräfte eine neuartige Software einsetzen, die vorhersagen soll, in welchen Vierteln es mit hoher Wahrscheinlichkeit in nächster Zeit zu kriminellen Vorfällen kommt. Das Werkzeug namens Predpol scheint auf den ersten Blick durchaus zu funktionieren – zumindest wurde eine Reduktion an Straftaten in jenen Orten festgestellt, die das Sicherheitsprogramm installiert hatten und seinen Empfehlungen folgten. Doch trotz der knapp ein Dutzend Städte, die mittlerweile weltweit zu den Kunden von Predpol zählen, wurde bislang keine einzige wissenschaftliche Studie durchgeführt, um dies auch nachzuweisen.

Predpol analysiert historische Daten, erfasst also, wo Straftaten wie Einbrüche oder Autodiebstähle in der Vergangenheit erfolgten. Dies geschieht über einen längeren Zeitraum – heute, gestern und in den letzten Jahren. Anschließend werden rote Kästen mit einer Kantenlänge von 150 Metern auf einer Karte platziert – vor jeder Patrouille. Polizeifahrzeuge sollen diese Bereiche dann so oft wie möglich aufsuchen, um die Täter entweder auf frischer Tat zu ertappen oder sie zumindest von ihrem Tun abzuhalten. In einem Polizeiabschnitt in Los Angeles kam es mit dem Verfahren beispielsweise zu 25 Prozent weniger Einbrüchen – einer Anomalie im Vergleich zu anderen Abschnitten im gleichen Zeitraum. Predpol hält seine "fortschrittlichen Algorithmen" und das "adaptive maschinelle Lernen" des Systems für ausschlaggebend. Es sei damit besser als jeder menschliche Kriminologe.

Doch wo bleiben die detaillierten Daten? Jeff Brantingham, Mitbegründer von Predpol und selbst Anthropologe an der University of California, Los Angeles, sagt, dass er noch daran arbeite, seine Forschungsarbeit zum Thema zu publizieren. Ein weiteres Detail verriet er aber: Im britischen Kent zeigten Umfragen innerhalb der Bevölkerung, die nicht über die Verwendung von Predpol informiert war, dass die Menschen immerhin das Gefühl haben, es sei mehr Polizei auf der Straße. Das deutet daraufhin, dass sich die Patrouillen mit Predpol stärker bemühen.

Es ist durchaus vorstellbar, dass die Software besser arbeitet als der Mensch – besonders über einen längeren Zeitraum. Behörden, die Predpol einsetzen, entwickeln aber auch eine Erwartungshaltung, die sie selbst nicht enttäuschen wollen. Und Polizisten, die die Karten mit den roten Kästchen erhalten, verbringen nachweislich mehr Zeit in den "Hotspots".

Beamte, die die Technik nutzen, gaben außerdem an, dass sie in den markierten Bereichen besonders aufmerksam vorgehen. Dieser psychologische Effekt sorgt vermutlich auch dafür, dass sie einen besseren Job machen, egal wie genau die Vorhersage ist.

Und dann wäre da noch die Tatsache, dass die Software, die einfach nur die Patrouillenkarte ausspuckt, die Polizisten schlicht schneller auf die Straße bringt – ohne dass eine zusätzliche Einsatzbesprechung notwendig wäre. Es dürfte also spannend werden, wie genau Brantinghams Studie die Leistungen von Predpol untermauert. Einen Placebo-Effekt liefert die – bei Datenschützern durchaus nicht unumstrittene – Software schon jetzt. (bsc)