Grüne gegen neue Varianten der Vorratsdatenspeicherung

Der Bundesvorstand der Oppositionspartei warnt vor der Anhäufung weiterer Datenberge mit einem zentralen Melderegister oder ELENA.

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Die Grünen warnen sechs Monate nach Inkrafttreten der heftig umstrittenen Regelungen zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten vor der Anhäufung weiterer riesiger Datenberge im Auftrag des Staates. Statt Konsequenzen aus der jüngsten Datenpanne bei Meldeämtern oder aus der Bespitzelungsaffäre bei der Deutschen Telekom zu ziehen, "steigert die Bundesregierung ihre Datensammelwut nur noch mehr", heißt es in einem Beschluss.

Konkret moniert die grüne Führungsebene in dem am heutigen Montag einstimmig gefassten Beschluss, dass etwa mit dem von der Bundesregierung vergangene Woche beschlossenen elektronischen Einkommensnachweis (ELENA) sowie mit dem von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) geplanten Bundesmelderegister "unkontrollierbare Datengebirge mit immenser Missbrauchsgefahr" geschaffen würden.

"Bei ELENA werden sämtliche Einkommensdaten der Arbeitnehmer gesammelt" und aufbewahrt, obwohl davon nur ein Bruchteil überhaupt benötigt werde, beklagen die Grünen. Die schmerzliche Erfahrung zeige aber: "Sind Daten erst einmal vorhanden, ist eine Nutzung zum Kampf gegen Terrorismus, aber auch gegen Schwarzarbeit und kleinere Delikte vorprogrammiert." Die Bundesregierung werde ihr Versprechen, die Daten nur zweckgebunden zu verwenden, bei entsprechendem Druck schnell brechen.

Auch das zentrale bundesweite Melderegister lade zur Zweckentfremdung geradezu ein. "Wenn mit einem Klick in die Datenbank Religionszugehörigkeit, alle früheren Adressen, Waffenscheinbesitz, Hochzeitsdaten und Steuernummer abgerufen und weitergegeben werden können, ist der gläserne Bürger keine Illusion mehr", betont der grüne Vorstand. Bis zur Zuordnung eines allgemeinen Personenkennzeichens, welches das Bundesverfassungsgericht im Volkszählungsurteil 1969 verboten habe, sei es dann nur noch ein kleiner Schritt.

Gegen den Abbau der Grundrechte will sich die Oppositionspartei nach der Beteiligung zahlreicher Mitglieder an der Sammelklage gegen die Vorratsdatenspeicherung und dem Einreichen einer eigenen Verfassungs- und Organklage weiter zur Wehr setzen. Viele Bürger seien sich nicht darüber im Klaren, was mit ihren Daten passiere. "Genau diese Unkenntnis nutzt der Innenminister aus, um immer weitergehende Einschränkungen der Freiheitsrechte vorzunehmen."

Die Bundesregierung fordern die Grünen auf, die anlasslose Protokollierung elektronischer Nutzerspuren zurückzunehmen und "einen Wandel hin zu mehr Datensparsamkeit im Sinne einer echten Bürgerrechtspolitik zu vollziehen". Es sei Aufgabe des Staates, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung zu gewährleisten.

Zugleich zeigte sich der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung im Vorfeld der am morgigen Mittwoch am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg stattfindenden Verhandlung über die rechtliche Grundlage der Brüsseler Vorgaben zur 6- bis 24-monatigen Aufzeichnung von Verbindungs- und Standortdaten zuversichtlich, dass die entsprechende EU-Richtlinie "in den nächsten Monaten" für nichtig erklärt werde. Irland hatte gegen die Direktive mit der Begründung geklagt, dass EU-Kommission und -Parlament für die Strafverfolgungsmaßnahme nicht zuständig seien. (Stefan Krempl) / (vbr)