Datenschützer warnen vor Verwässerung der EU-Datenschutzreform

Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben sich gegen "grundrechtsfreie Räume" in Europa ausgesprochen. Anläufe für einen Selbstregulierungskodex für soziale Netzwerke betrachten sie als gescheitert.

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Die Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern haben auf ihrer 85. Konferenz in Bremerhaven am Donnerstag in einer Entschließung das EU-Parlament, den Ministerrat und die Kommission aufgefordert, den Datenschutz in Europa zu stärken. Sie wenden sich damit gegen Änderungsvorschläge zum ursprünglichen Kommissionsentwurf für eine Verordnung, die das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung schwächen würden. Allein im Innenausschuss, der Ende April seine Empfehlungen festzurren soll, liegen über 3000 Korrekturwünsche vor. Dazu kommen viele weitere Anträge aus den mitberatenden Ausschüssen.

Die Experten halten fest, dass durch die Reform "jedes personenbeziehbare Datum geschützt werden" müsse. Einzuschließen seien auch pseudonyme Informationen oder Identifizierungsmerkmale wie IP-Adressen. "Grundrechtsfreie Räume" dürfe es nicht geben. So lehnen sie die Ausnahme bestimmter Datenkategorien oder Berufs- und Unternehmensgruppen aus dem Regelungsbereich ab. Ferner betonen die Datenschützer, dass die Verarbeitung persönlicher Informationen nur nach einer "eindeutigen, freiwilligen und informierten" Einwilligung der Betroffenen erfolgen dürfe. Die Zweckbindung müsse als "ohne Abstriche" erhalten bleiben.

Möglichkeiten zur Profilbildung möchten die Datenschützer beschränkt wissen. Unterschiedliche Informationen über eine Person dürften nur in "engen Grenzen" zusammengeführt und ausgewertet werden. Zudem sollten betriebliche Datenschutzbeauftragte europaweit obligatorisch werden, was der EU-Rat in seiner jüngsten Sitzung der Innen- und Justizminister anders sah. Datenverarbeiter dürften sich ihre Aufsichtsbehörde, die völlig unabhängig sein müsse, nicht aussuchen können. Die Kontrolleure seien "mit wirksamen und flexiblen Durchsetzungsbefugnissen" wie der Möglichkeit zum Verhängen empfindlicher Bußgelder auszustatten. Mitgliedsstaaten müssten auch weiterhin strengere Vorgaben im nationalen Recht vorsehen können.

Den Ruf nach mehr Raum für Selbstkontrolle der IT-Branche sehen die Staatsbeauftragten skeptisch. So betrachten sie die langwierigen Verhandlungen über einen Selbstregulierungskodex für soziale Netzwerke als gescheitert. Die Konferenz ruft daher den Gesetzgeber in einem weiteren Beschluss nachdrücklich auf, die noch bestehenden Gesetzeslücken etwa bei Voreinstellungen oder Löschverpflichtungen schnell zu schließen sowie Facebook und Co. "Leitplanken" zu setzen.

Bei den beginnenden Verhandlungen zwischen der EU und den USA über eine transatlantische Freihandelszone möchten die Beauftragten mit einer weiteren Entschließung sichergestellt wissen, dass das in der Europäischen Grundrechtecharta garantierte Recht auf Datenschutz und die daraus abgeleiteten Standards gewahrt bleiben. Sie sehen in dem Vorhaben prinzipiell einen Chance, international die Privatsphäre der Bürger besser zu gewährleisten. Die Konferenz appelliert zudem an die zuständigen Fachbehörden der Länder, die Pseudonymisierung von Krebsregisterdaten zu verbessern und auf den Stand der Technik zu bringen.

Parallel warb Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner auf einer Konferenz zum morgigen Weltverbrauchertag in Berlin ebenfalls dafür, hohe Datenschutzstandards und verbraucherfreundliche Grundeinstellungen als "Erfolgsfaktoren für die Zukunft der Informationsgesellschaft" zu betrachten und auf EU-Ebene zu verankern. (mho)