Datensammlungen der Krankenkassen erneut in der Diskussion

Kritiker befürchten, dass eine Verpflichtung der Ärzte, Schönheitsoperationen, Piercings oder Tattoos an die Krankenkassen zu melden, nicht nur das Vertrauen der Patienten in die ärztliche Schweigepflicht zerstört.

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Von
  • Detlef Borchers

Mit der Diskussion um die ärztliche Meldepflicht "selbst verschuldeter Krankheiten" sind die Datensammlungen der Krankenkassen wieder in die Diskussion geraten. Kritiker befürchten, dass die Verpflichtung der Ärzte, Schönheitsoperationen oder Tattoos an die Krankenkassen zu melden, nicht nur das Vertrauen der Patienten in die ärztliche Schweigepflicht zerstört. Vielmehr würden die Kassen so Daten aus dem allgemeinen Sozial- und Lebensumfeld erhalten, die im Verbund mit anderen Daten zum gläsernen Patienten führen könnten.

Am vergangenen Wochenende meldeten Spiegel und Tagesschau die Pläne aus dem Gesundheitsministerium, Ärzte mit einer Meldepflicht bei Kassenpatienten zu belegen, die ihre Gesundheit mit Schönheitsoperationen, Tätowierungen oder Piercings gefährden. Im Wesentlichen drehen sich diese Pläne um eine Änderung des § 294a im fünften Sozialgesetzbuch, der Ärzte derzeit dazu verpflichtet, Schäden zu melden, die in Zusammenhang mit Straftaten, ärztlichen Fehlern oder betrügerischen Unfallfolgen stehen. Mit der Verschärfung des § 294a sollen künftig "vorsätzliche" Fälle medizinisch nicht notwendiger Maßnahmen wie Piercings und Tattoos gemeldet werden. Sollten diese Körpergestaltungen Folgen haben, die medizinisch behandelt werden müssen, würden die Patienten in Regress genommen und ihnen das Krankheitsgeld verweigert, sieht der aktuelle Gesetzesentwurf im Gesundheitswesen vor.

Die Konsequenz: Ärzte müssten jede Tätowierung oder auffällige äußerliche Veränderung melden, weil sie potenziell zu einer Erkrankung führen kann. Zu den Plänen meldete sich unter anderem Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärztekammer, zu Wort. Gegenüber dem Ärzteblatt betonte Hoppe, dass Ärzte keine Hilfspolizisten der Krankenkassen seien. Eine andere Position bezog die Ärztezeitung mit einem Beitrag, der aufzählte, was die Krankenkassen heute schon alles von ihren Beitragszahlern wissen. Der Beitrag befasste sich zudem mit der Frage, ob die Kassen dafür den Murks mit der Gesundheitskarte brauchen, der allein von den Kassen vehement gefordert wird.

Mit der Debatte beschäftigt sich auch die tageszeitung. Sie greift noch einmal die Kritik von Bundesdatenschützer Peter Schaar an den Datensammlungen der Krankenkassen auf, die dieser in seinem jüngsten Tätigkeitsbericht geäußert hatte. In dem Bericht hatte Schaar insbesondere die von den Kassen häufig geforderte "Einwilligungserklärung zur Datenerhebung und Datenweitergabe" angeprangert. Sie sei schlicht rechtswidrig, weil der Patient damit der Kasse gestatte, Inhalte der Pflegedokumentation zu übermitteln. Wie gering dabei der Datenschutz durch die Kassen geachtet werde, machte Schaar an dem Beispiel deutlich, dass Kassen Sozial- und Diagnosedaten an die Hersteller von Rollstühlen weitergeleitet haben.

Im Bundesgesundheitsministerium gibt man sich von der neu entfachten Diskussion überrascht. Eine Sprecherin betonte, man wolle etwas für die Beitragszahler tun, die sich nicht selbst verletzen. Die ärztliche Schweigepflicht werde nicht angetastet, weil nur Maßnahmen ergriffen würden, die für die Umsetzung der beschlossenen Gesundheitsreform notwendig seien, so die Sprecherin. (Detlef Borchers) / (pmz)