Nach dem Aus für Google Reader: Alternativen für RSS-Reader

Kann ein anderer Dienst die Rolle von Google Reader einnehmen, sollte man auf einem Webspace eine eigene Lösung hosten, und überhaupt: Wie organisiert man seinen Nachrichteneingang jetzt neu?

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Google kündigt an, seinen RSS-Reader einzustellen – und die Netzgemeinde schreit auf. Denn Google Reader bot nicht nur selbst die Möglichkeit, Beiträge von Websites und Blogs schnell gesammelt in einer Übersicht zu lesen. Der Dienst ist vielmehr eine Schaltzentrale, die ihren Datenbestand über eine Programmierschnittstelle mit zahlreichen anderen Diensten und Anwendungen teilt. Egal, mit welchen Programmen und auf welchen Geräten man seine Feeds und Postings liest: Überall sind so die Informationen synchron, sodass man mit den verschiedensten Apps und Diensten seine Feeds lesen kann, ohne aber Beiträge vorgesetzt zu bekommen, die man bereits abgearbeitet hatte.

Die Feed-Zentrale

Sollte Google seinen Dienst wirklich schließen, könnte Feedly an seine Stelle treten. Der Dienst ist derzeit ein RSS-Reader, der seine Arbeit als Add-on für Chrome, Firefox und Safari sowie als kostenlose App für iOS und Android verrichtet. Feedly ist sehr stylisch gehalten. Das Layout der Artikel (-Rubriken) lässt sich vielseitig anpassen, von einer kompakten Übersicht der Überschriften bis zu einem sehr luftigen Layout à la Flipboard. Feedly hat seine Kapazitäten für neue Benutzer aufgestockt und gibt Tipps zum Umstieg.

Schicke Reader-Alternative: Feedly möchte die Nachfolge von Googles Dienst antreten.

Bislang ist Feedly gewissermaßen ein Aufsatz auf Google Reader. Auch Feedly nutzt Googles Dienst als Backend, mit dem es sich synchronisiert. Da die Entwickler schon länger mit dem Ende von Google Reader gerechnet haben, haben sie bereits vor einiger Zeit an einem Projekt namens Normandy angefangen, einem Klon des Reader-API. Für Feedly-Nutzer soll sich daher nichts ändern: Nach dem Abschalten von Google Reader wird Normandy die Backend-Funktionen übernehmen, für die bisher Googles Dienst zuständig ist. Die Feedly-Entwickler wollen Normandy ganz offensichtlich auch für Drittanbieter öffnen und laden diese dazu ein, sich mit ihnen in Verbindung zu setzen.

Der einzige Dienst, der derzeit ebenfalls eine Programmierschnittstelle für Drittanbieter bereitstellt, ist NewsBlur. Es gibt aber bislang kaum Drittanbieter-Anwendungen, die Newsblur unterstützen. NewsBlur lässt sich wie Feedly mit dem Browser nutzen und stellt eigene Apps für Android und iOS zur Verfügung. Der Dienst ist kostenpflichtig; wer mehr als 64 Feeds lesen will, muss einen Dollar pro Monat zahlen.

Die Macher des Social-News-Aggregators Digg wollen als Reaktion auf die Schließung von Google Reader einen eigenen Newsreader bauen. Sie haben in ihrem Blog angekündigt, die besten Funktionen von Google Reader nachbauen zu wollen, inklusive der API. Die Entwickler von The Old Reader haben ebenfalls angekündigt, ein API für Mobilgeräte zu entwickeln.

Die selbst gehostete Lösung

Die ideale Lösung, um die Abhängigkeit von wankelmütigen Dienstanbietern zu beenden: einen Feedreader auf der eigenen Website hosten. Das bietet alle Vorteile einer Desktop-Software und zusätzlich noch die Flexibilität, von allen Rechnern und Smartphones auf die Nachrichten zugreifen zu können. Allerdings erfordert das nicht nur eigenen Webspace, sondern oft auch ein bisschen Geduld und Geschick. Denn gerade bei billigen Sharehostern kann mancher Installationsprozess zum Nervenkrieg werden.

Fever gilt derzeit als heißeste Software für Selbsthoster. Was den Webspace angeht, ist es genügsam -- PHP und eine MySQL-Datenbank reichen, beide nicht zwingend in der aktuellsten Version (die man schon aus Sicherheitsgründen natürlich trotzdem nutzen sollte). Der Installationsprozess ist elegant: Man lädt ein kleines PHP-Skript herunter, das den Webspace auf Kompatibilität testet und einen Zugangscode anfordert. Mit diesem Code und 30 US-Dollar schaltet man die Anwendung frei, die nun automatisch auf den eigenen Server geladen wird.

Fever zeigt an, welche Nachrichten heiß gehandelt werden.

Die Oberfläche von Fever lässt gestalterischen Ehrgeiz erkennen, doch nervt die winzige, kontrastschwache Schrift. Seinen Namen bezieht Fever von seinem Fieberthermometer in der Rubrik "Hot", das die Nachrichten aus den eigenen Quellen danach sortiert, wie heiß sie im Netz diskutiert werden.

Browserseitig erfordert Fever nach eigenen Angaben eine WebKit- oder Gecko-Maschine; im Test lief es auch mit Opera, während der Betrieb im Internet Explorer tatsächlich an diversen Bugs scheitert.Fever bringt eigene Designs für Smartphones mit, doch erkennt die Software nicht jedes Mobilgerät. Mit einem Nexus 4 zum Beispiel mussten wir in den Nachrichtenübersichten immer hin- und herscrollen, damit wir die Überschriften lesen konnten. Es gibt aber einige Apps, die Fever unterstützen. Unter Android ist das Meltdown, das allerdings die Rubrik "Hot" nicht anzeigt, unter iOS Sunstroke oder Reeder.

Der Entwickler von Fever, Shaun Inman, hat sich inzwischen zu Wort gemeldet. Man darf bis mindestens zur Mitte des Jahres nicht davon ausgehen, dass Fever erweitert werde, weil Inman derzeit in einem anderen Projekt eingespannt ist. Andere RSS-Reader zum Selbst-Hosten sind zum Beispiel Tiny Tiny RSS und Selfoss, die anders als Fever kostenlos erhältlich sind

RSS-Verarbeitung de luxe mit Yahoo Pipes

Wer ohnehin seinen Nachrichten-Workflow überarbeitet, der kann ihm mit Yahoo Pipes Feintuning zukommen lassen. Pipes ist ein kostenloser Webdienst, mit dessen Hilfe man Mash-ups verschiedener Datenquellen und Webdienste in einem grafischen Editor zusammenklicken kann. Auch fürs Sammeln von RSS-Nachrichtenfeeds eignet sich der Dienst. Eine hübsche Darstellung der Ergebnisse ist zwar nicht gerade seine Stärke, dafür kann man die Ergebnisse filtern und sich zum Beispiel per Pipe eine Seite zusammenstellen lassen, die ausschließlich Nachrichten enthält, in deren Titel oder Thema das Wort Android vorkommt und die maximal zwei Wochen alt sind.

Mit Yahoo Pipes lässt sich der Nachrichtenwust sehr genau kanalisieren und filtern.

Wer eine Duz-Freundschaft mit regulären Ausdrücken pflegt, kann aus den Pipes noch viel mehr herausholen. In c't 2/12 auf Seite 153 haben wir beispielsweise beschrieben, wie man den Feed einer Webseite, die neue Software-Versionen meldet, nach krummen Versionsnummern durchforstet, die betreffenden Meldungen zu Löschen markiert und anschließend wegfiltert. So hält Yahoo Pipes dem Leser das Gros der inkrementellen Updates vom Leib, hält ihn aber über alle großen Versionssprünge auf dem Laufenden.

Das kostenlose Angebot von Yahoo hat allerdings auch einen Preis: Zum einen sind Pipes keine Privatsache, denn jeder, der die – zugegeben kryptische – URL kennt, darf sich die Ergebnisseite anzeigen lassen. Zum anderen gibt es gelegentlich Tage, da läuft die Feed-Destille im Browser einfach nicht rund und statt der aufbereiteten Ergebnisliste bekommt man nur eine knappe Fehlermeldung zu sehen. Und drittens kann es jederzeit passieren, dass Yahoo den Dienst einstellt. Geld verdient die Firma damit schließlich nicht – Pipes ist gratis und werbefrei.

Andere Dienste, mit denen man zwar nicht so ausgefeilte Filter bauen, aber zu bestimmten News Alerts beispielsweise per Mail zukommen lassen kann, sind IFTTT und zapier.

RSS-Clients

Es gibt Dutzende RSS-Clients für den Desktop und Mobilgeräte. Die Software-Entwickler orientieren sich derzeit neu. So hat Nick Bradbury das Ende von Google Reader zum Anlass genommen, auch seine Software FeedDemon einzustellen. Die Entwickler von Nextgen Reader dagegen sehen nach vorne und erwägen mehrere Optionen: Selbst zu hosten, Feedlys Normandy zu nutzen oder Newsblur zu unterstützen. Wer mit schlichter Ausstattung zufrieden ist und keine Synchronisierung benötigt, kann seine Feeds auch in manchen Mail-Clients lesen -- Thunderbird oder Opera Mail bringen solche Funktionen beispielsweise mit

Wer mit seinem RSS-Reader zufrieden ist, muss erst einmal nichts unternehmen: Bis Ende Juni bleibt ja alles wie gehabt. Und in der Zwischenzeit dürfte sich abzeichnen, welche Standards sich für die Synchronisation abzeichnen werden. Vielleicht reagiert Google ja auch auf das massive negative Echo und lässt seinen Reader weiterleben. Wer sich, angeregt durch die Diskussion um Google Reader, mal wieder mit der einschlägigen Software befassen will, der findet in unserem Software-Verzeichnis eine Liste von RSS-Readern für die verschiedensten Anwendungszwecke und Plattformen. (jo)