EU-Gericht erlaubt weitgehende Geheimhaltung von ACTA-Dokumenten

Das Gericht der Europäischen Union schmetterte die Klage einer EU-Parlamentarierin ab, die sich Zugang zu Geheimdokumenten rund um die ACTA-Verhandlungen erstreiten wollte.

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Von
  • Monika Ermert

Das Gericht der Europäischen Union hat mit einer Entscheidung vom Dienstag klargestellt, dass die EU-Kommission im Rahmen internationaler Vertragsverhandlungen Dokumente unter Verschluss halten kann. In dem Urteil über die Veröffentlichung von Informationen über das inzwischen gescheiterte Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) stärkten die Richter die Möglichkeit der EU-Kommission, Ausnahmen von ihrer allgemeinen Transparenzpflicht geltend zu machen. Geklagt hatte 2010 die niederländische EU-Abgeordnete Sophie in't Veld von den Liberalen (ALDE), die seit 2008 versucht, Zugang zu ACTA-Dokumenten zu erhalten.

Zwar erkannte das Gericht an, dass die Kommission der Abgeordneten zu viele Dokumente vorenthalten habe. Die Kommission muss demnach eine Liste offener Fragen zum konsolidierten ACTA-Entwurf und eine Darstellung der EU-Rechtslage im Bereich “Geistiges Eigentum im Internet” offenbaren. Der Großteil der Verhandlungsdokumente, wie etwa Einschätzungen der Mitgliedsländer zu geplanten strafrechtlichen Maßnahmen oder ein Bericht über die technische Zusammenarbeit der ACTA-Partner, bleibt dagegen im Giftschrank.

Wie bescheiden das Auskunftsrecht der Öffentlichkeit ist, zeigen die mageren Zugeständnisse in Bezug auf übermäßige Schwärzungen in den Dokumenten. Die Kommission hatte darin sogar ihre eigene Aussage geschwärzt, dass sie nicht gegen eine Verbreitung der Verhandlungsdokumente gewesen sei, sofern es darüber einen Konsens der Vertragsparteien gegeben hätte. Das ging selbst den Richtern zu weit, die der Kommission deswegen die Hälfte der Verfahrenskosten auferlegten. Die Kommission habe durch die wenig sorgfältige Behandlung des Zugangsantrages und das zweimalige Nachschieben einzelner ACTA-Dokumente noch im Verlauf des Gerichtsverfahrens dieses erschwert und verteuert.

In't Veld zeigte sich in einer ersten Reaktion enttäuscht von dem Urteil, das “eine Kultur der Diskretion und Geheimhaltung von Diplomaten aus den 1950er Jahren” aufrecht erhalte. Sie fürchtet, dass so diplomatische Verhandlungen weiter grundsätzlich als Verschlusssachen behandelt werden, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Ihr Anwalt Onno Brouwer erklärte dazu: “Die entscheidende Frage ist, ob Bürger das Recht haben, über die Positionen der Union in Verhandlungen zu internationalen Abkommen informiert zu werden.” Das Urteil stelle die Anforderungen der Diplomatie über die der Demokratie.

In't Veld kündigte an, die Transparenzregeln zu einem Wahlkampfthema der Liberalen bei der kommenden Europawahl zu machen. Die aktuellen Transparenzbestimmungen seien ganz offensichtlich nicht mehr ausreichend. Die laufende Novelle der Verordnung EG 1049/2001 sei festgefahren, weil Kommission und Mitgliedsstaaten den Zugang zu Dokumenten weiter restriktiv handhaben wollten, das Parlament aber für bessere Zugangsrechte sei.

In't Veld hatte in einem früheren Verfahren einen Teilsieg beim Zugang zu den Verhandlungsdokumenten über das Abkommen zum Bankdatentransfers errungen, gegen das der Rat der EU jedoch in Berufung gegangen ist. Laut ihrem Sprecher steht noch nicht fest, ob in't Veld gegen das heutige Urteil Berufung einlegen wird. Das Urteil wirft auch einen Schatten auf die bevorstehenden Verhandlungen über das geplante US-EU Freihandelsabkommen. (axk)