Die Elektrifizierung der Steuerzeiten

Nockenwellenreiter

Immer mehr Funktionen im Verbrennungsmotor werden elektrifiziert, meist zur Verringerung des Verbrauchs und zur Verbesserung der Abgasqualität. Nach der Gemischbildung soll nun die Nockenwellenverstellung folgen

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Von
  • Florian Pillau
Inhaltsverzeichnis

Immer mehr Funktionen im Verbrennungsmotor werden elektrifiziert, unter anderem, damit elektronische Steuerungen mit ihrer präzisen Regelgüte zur Steigerung der Leistung, zur Verringerung des Verbrauchs und zur Verbesserung der Abgasqualität beitragen können. Nach der Gemischbildung soll nun die Nockenwellenverstellung folgen. Man verspricht sich von ihrer Elektrifizierung unter anderem einen Verbrauchsvorteil von einigen Prozent und bessere Abgaswerte.

Fortschreitende Elektrifizierung

Dabei gibt es variable Steuerzeiten in Autos noch gar nicht so lange. Die ersten kamen Ende der 80er, Anfang der 90er (Honda VTEC, Toyota VVTi), größere Verbreitung fanden sie aber erst vor wenigen Jahren. Einen großen Beitrag leistete dabei ihre Vereinfachung. Da mag es erstaunen, wenn man die ersten serienmäßig gebauten Ottomotoren etwas genauer ansieht und feststellen kann, dass ihre Lastregelung nicht etwa per Drosselklappe bewerkstelligt wurde, sondern mithilfe einer variablen Ventilsteuerung durch ein auf der Nockenwelle verschiebbares Nockenstück, später auch durch einen Regelkeil zwischen Kipphebel und Ventilschaft. An eine Phasenverstellung war damals allerdings noch nicht gedacht. Diese Idee war schon 1876 nicht neu: Die Variation von Hub und Steuerzeiten war bereits damals bewährter Stand der Technik – in der Dampfmaschine.

Vorbild Dampfmaschine

Hier allerdings unter anderen Vorzeichen als im Ottomotor: Um eine Dampfmaschine mit vollem Drehmoment zu betreiben, also etwa zum zum Anfahren, betreibt man sie kurzfristig mit voller Öffnung. Um danach eine bestimmte Leistung einzuregeln, verkürzt man die Einlassöffnungszeiten. Damit nutzt man die Expansion des Dampfs im Zylinder und steigert die Effizienz deutlich. Dieses Ausnutzen der Expansion kann man mit gutem Willen (weil die Dampfmaschine ein Eintaktmotor ist und [so gut wie] keine Kompression kennt) entfernt mit dem so genannten Miller-Zyklus im Viertaktmotor vergleichen, bei dem der Expansionshub länger ist als der Verdichtungshub, was auch hier mit einem frühen Einlassschluss erreicht wird. Das Miller-Patent wurde 1947 eingereicht. Millers Vorgänger James Atkinson hatte bereits 1882 am Einlassschluss gedreht, allerdings in die andere Richtung. Hier bleibt das Einlassventil länger geöffnet, aber mit dem gleichen Effekt eines verkürzten Kompressionshubs und verbesserter Effizienz. (Wobei der verlängerte Arbeitshub damals noch per Hebelmechanismus am Pleuel erreicht wurde).

Entfeinerung fürs Auto

Die ersten Ottomotoren durften kompliziert, schwer und relativ teuer sein, denn sie waren für den stationären Betrieb gedacht. Die Variabilität im Ventiltrieb ging ihnen erst verloren, als man begann, sie in Autos, Boote und Zweiräder einzupflanzen. Dazu wurden die Motoren zunächst radikal um alles erleichtert, was zum Betrieb nicht unbedingt nötig war, man spricht hier von "Entfeinerung". Verbrauch und Umweltschutz waren in den Pionierzeiten des Autobaus noch keine entscheidenden Themen. Wichtig war ein Motor, der unterwegs keine Zicken macht und möglichst wenig Verschleiß unterliegt. Man hatte einige Motoren sogar so radikal vereinfacht, dass sie mit ungesteuerten Einlassventilen liefen. Diese wurden einfach gegen die Kraft der schließenden Ventilfeder duch den Unterdruck im Zylinder geöffnet.