Online-Aktivist: Finger weg von Facebook

Jeremie Zimmermann von der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net hat davor gewarnt, Soziale Netzwerke wie Facebook für netzpolitische Kampagnen zu nutzen. Man könne sich nicht auf eine "Black Box" für den Grundrechtsschutz verlassen.

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Jeremie Zimmermann, Sprecher der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net, hat davor gewarnt, Facebook für netzpolitische Kampagnen zu verwenden. Die Architektur einer Plattform sei in solchen Fragen entscheidend, erklärte der Franzose am Freitag auf einer Konferenz zu Online-Aktivismus der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin. Er persönlich könne in diesem Punkt nicht einem US-Konzern vertrauen, bei dem Sicherheitsbehörden und andere Dritte Zugriff auf Nutzerdaten hätten. Generell dürfe sich niemand auf eine "Black Box"-Technologie verlassen, um seine Grundrechte zu schützen.

Vor gezielter Überwachung könne Aktivisten zwar "kein einzelnes Instrument" schützen, räumte Zimmermann ein. Es sei aber hilfreich, "dezentrale Dienste, Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und freie Software zu nutzen". Bei Plattformen, die fest in Firmenhand seien, könne dagegen jederzeit eine "privatisierte Zensur" erfolgen. Kämpfer für Netzfreiheiten müssten daher "die Strukturen zerbrechen, die uns unsere Einflussmöglichkeiten nehmen" und ihre Macht missbrauchten.

Eine Teilnehmerin aus Namibia sprach angesichts der Debatte über die Angebote von Konzernen wie Facebook oder Google von einem "Luxusproblem". In ihrem Land hätten nur wenige Bürger einen Internetzugang, Aktivisten setzten daher stärker auf Mobiltelefone und "Massen-SMS". Technologiezugang gäbe es immer und überall, betonte Maya Indira Ganesh vom indischen Tactival Technology Collective. Es sei nicht immer nötig, die aktuellsten Instrumente wie soziale Medien einzusetzen. Außerdem gab sie zu bedenken, dass "Facebook einer Art Nation für sich ist". In ihrer Heimat beklagte sie eine "lange Geschichte der Zensur" über alle Medien hinweg, die angeblich die Bürger schützen solle. So könne es vorkommen, dass man für kritische Foreneinträge im Netz verhaftet werde oder dass Provider zum Blockieren geschützter Inhalte gezwungen würden.

Enttäuscht über die jüngste netzpolitische Wende in Jordanien zeigte sich Reem Al-Masri vom einheimischen Nachrichtenportal 7iber. Vor kurzem habe das nationale Parlament ein umstrittenes neues Mediengesetz mit strengen Auflagen zur Registrierung und Vorgehen gegen illegalen Content erlassen. Es ziele auch auf jede Webseite ab, die über die gesellschaftlichen und politischen Geschehnisse des Landes berichten. Die Zensurbestimmungen seien auf Druck einer bislang unbekannten Lobbygruppe erlassen worden, die ein Pornoverbot gefordert habe. Nun müsse man abwarten, wie das Gesetz angewandt werde. Schon jetzt seien aber Auswirkungen zu befürchten, da nicht Überwachung, sondern Selbstzensur der größte Feind einer offenen Gesellschaft sei.

Widersprüche im Einsatz für digitale Freiheiten machte Christian Mihr von Reporter ohne Grenzen in Deutschland und Europa aus. "Wir verstehen uns einerseits als 'Exporteur' von Menschenrechten", erläuterte er. Dies gelte zwar nur für bestimmte Gebiete wie Weißrussland, in denen die wirtschaftlichen Interessen nicht besonders hoch seien. Andererseits lasse die Bundesregierung aber einen intransparenten Export von Überwachungstechnologien zu und übernehme dafür sogar staatliche Garantien. Die Presseorganisation wolle daher zusammen mit anderen zivilgesellschaftlichen Organisationen durch ihre Beschwerde bei der OECD gegen Trovicor und die Gamma Group Möglichkeiten eines gerichtlichen Vorgehens ausloten. Generell unterwandere die gespaltene Praxis die Glaubwürdigkeit beim Pochen auf die Einhaltung von Menschenrechten im Ausland. (axk)