Clearingstelle für Markenschutz bei neuen Top Level Domains

Markeninhaber in aller Welt sollen bei der Clearingstelle ihre Marken hinterlegen, um Vorrechte auf Domains innerhalb neu zu eröffnender Adresszonen im Internet geltend machen zu können.

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Von
  • Monika Ermert

Am Dienstag öffnet die von der Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) eingerichtete Clearingstelle für Markennamen (Trademark Clearing House) ihre virtuellen Pforten. Markeninhaber in aller Welt sollen dort ihre Marken hinterlegen, um Vorrechte bei der Eröffnung neuer Adresszonen im Internet geltend machen zu können. Laut Jonathan Robinson, Berater bei der von ICANN mit dem Betrieb der Clearingstelle beauftragten Firma Deloitte, wird es in den kommenden Jahren eine Welle so genannter Sunrise-Phasen geben. Während dieser haben Markeninhaber Vorregistrierungsrechte für Second Level Domains innerhalb der neuen Top Level Domains (TLDs), die ihren Markenrechten entsprechen. Der Eintrag bei der Clearingstelle soll dabei Markeninhabern die Abwehr von Grabbern und Nachahmern erleichtern.

Erst Mitte 2011 hatte sich die ICANN endgültig dazu durchgerungen, den Internet-Namensraum zu öffnen und neue Adresszonen einzuführen. Damit möchte die ICANN ein reguläres Verfahren für die fortgesetzte Beantragung neuer Adresszonen im Stil von .com oder .biz etablieren, mit dem sich nahezu beliebige Begriffe für Top Level Domains auswählen lassen. Die ICANN hatte das komplizierte und teure Bewerbungsverfahren für neue Internet-Adresszonen wie ".berlin", ".music" oder ".sport" Anfang 2012 gestartet; nach einigen Pannen, die zur vorübergehenden Aussetzung des Verfahrens führten, konnten Bewerber endlich im Mai 2012 ihr Begehr für neue Top Level Domains vorbringen. Insgesamt 2000 Anträge auf neue Top Level Domains gingen ein.

Wenn nun diese neuen Domains im Internet verfügbar gemacht werden und innerhalb dieser TLDs Second Level Domains registriert werden können, soll die Clearingstelle bei einem regulären Ablauf behilflich sein, der bestehende Rechte schützt. Sicher ist den von der Clearingstelle anerkannten Markeninhabern ihre Second Level Domain in den neuen Zonen von .adac bis .zuerich mit der Hinterlegung ihrer Marke jedoch keineswegs. Einerseits sind zahlreiche neue Zonen nicht als offene Zonen geplant, sondern von ihren Betreibern nur für ganz bestimmte Nutzer vorgesehen – der ADAC zum Beispiel bedient erst einmal sich selbst und seine Affiliates. Steht andererseits die Registrierung allen offen, könnten sich gleich mehrere Markeninhaber um den Vorzugsplatz streiten.

Die Clearingstelle macht keinen Unterschied zwischen Markenrechten aus verschiedenen Ländern oder für verschiedene Klassen, sodass es für viele Namen lange Listen von berechtigten Markenansprüchen geben kann. Das zentrale Problem, dass Marken an lokale und sektorale Märkte gebunden sind, im globalen Namensraum aber immer nur einer eine Domain nutzen kann, kann auch die Clearingstelle nicht auflösen. Am Ende, so urteilt der Münchner Marken- und Domainrechtsexperte Torsten Bettinger, wären wohl Auktionen die fairste Lösung, wenn mehrere Markeninhaber auf der gleichen Domain bestehen.

Trotzdem lohnt sich die Investition von 145 Dollar pro hinterlegter Marke (ab 1000 wird es billiger), versichert Deloitte-Spezialist Jan Corstens. Gegenüber heise online meinte er, man bezahle nicht für ein neues Markenrecht, sondern vielmehr für deren Prüfung und Auflistung in einer zentralen Datenbank und die darauf aufbauenden Dienste. Den Betrieb dieser Datenbank durch IBM hat ICANN übrigens kurzerhand noch abgespalten von den zentralen Diensten der Clearingstelle (Sunrise-Phase und Warnhinweis-System zum Schutz hinterlegter Marken).

Die spät entschiedene vertragliche Trennung eröffnet ICANN die Möglichkeit, zusätzliche Wettbewerber für die Dienste unter Vertrag zu nehmen. Allerdings, betonte Corstens, müsse dann auf Konsistenz geachtet und das einheitliche Preismodell neu überdacht werden. 150 Dollar für die Überprüfung einer Marke in Ländern mit Online-Datenbanken sei ein guter Preis. "Aber weiß ich, ob ich nicht auch eine Marke in Urdu prüfen muss, oder eine Marke aus Äthiopien in verschiedenen Schriften?"

Bei rund 80.000 bis 100.000 Eintragungen, die ab Dienstag bei Deloitte eintrudeln können, bleibt der Dienst aber wohl ein ziemlich einträgliches Geschäft, auch wenn ICANNs Zickzackkurs rund um das Zulassungsverfahren der neuen TLDs allen Beteiligten zu schaffen macht – die jüngsten Änderungen zum Markenrechtsschutz gab ICANNs Präsident Fadi Chehade erst letzte Woche bekannt. Dazu gehört beispielsweise die Verlängerung der Warnhinweise auf 90 Tage nach Start der allgemeinen Registrierung und deren Ausweitung auf "missbräuchliche Registrierungen".

In dieser Zeit bekommt jeder, der eine Domain haben möchte, für die eine Marke hinterlegt wird, einen Hinweis auf die Ansprüche – um den Hinweis wasserfest zu machen, soll sogar die IP-Adresse des Domainanmelders erfasst werden. Bleibt der Nutzer dabei, dass er die Domain will, wird der Markeninhaber informiert und kann entscheiden, wie er reagieren will. Die Ausdehnung dieses Warnhinweissystems auf den Dauerbetrieb, die die Markeninhaber befürworten, lehnte Chehade demgegenüber erst einmal ab.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen im Streit um die Marken, da ist sich Robinson sicher, und blickt mit Spannung auf das bevorstehende ICANN-Treffen in Peking. Markenexperte Bettinger schätzt, allenfalls Druck von Seiten des Regierungsbeirates könnte jetzt so kurz vor dem Start noch weitere Schutzmaßnahmen auf den Weg bringen. Die Regierungen hatten das Markenrecht bislang sehr viel entschiedener verfochten als den Datenschutz rund um die neuen Domains.

Schon im Frühsommer würde ICANN gerne die ersten neuen TLDs am Start sehen. 30 nicht-lateinische TLDs, darunter drei von VeriSign, aber auch die TLD ".vermögensberater" passierten gerade das generelle Evaluierungsverfahren der ICANN. Gehen alle 30 also ganz schnell an den Start? Ja, wenn es keine Einsprüche von Regierungen gibt, wenn niemand anderer sich um die gleiche Domain beworben hat und wenn es keine Einsprüche vor dem Schiedsgericht der WIPO gibt, wo sich gerade die Merck KGaA mit der Merck & Co Inc kabbelt. (jk)