Die Schweiz sucht IT-Visionäre

Welches sind die ungelösten Probleme im Bereich der Informationstechnologie? Und vor welchen Herausforderungen steht die Informatik als Wissenschaft heute? Dies sollen junge Wissenschaflter beim "Swiss Computer Science Challenges Award" beantworten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Tom Sperlich

Welches sind die wichtigsten ungelösten Probleme im Bereich der Informationstechnologie? Und vor welchen zentralen Herausforderungen steht die Informatik als Wissenschaft heute? Diese Fragen sollen junge Wissenschaftler und Forscher im Rahmen der Ausschreibung des ersten "Swiss Computer Science Challenges Award" beantworten.

Erstmals wird der mit 30.000 Franken (18.750 Euro) dotierte Preis von der Hasler Stiftung in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Materialprüfungsanstalt (Empa) und dem Verein "Jahr der Informatik" vergeben. Letzterer ist der Veranstalter der "informatica 08 – Jahr der Informatik, das für dieses Jahr im gesamten Land ausgerufen wurde, um das Bewusstsein für die Wichtigkeit der Informatik als Schlüsseltechnologie für den Wirtschafts- und Wissensstandort Schweiz zu schärfen.

Mit dem Wettbewerb sollen die größten ungelösten Fragen und Probleme der Wissenschaftsdisziplin Informatik identifiziert und allgemein verständlich dargestellt sowie erste Lösungsideen geliefert werden. Bei exzellenten Vorschlägen wird die Hasler Stiftung in Betracht ziehen, eine Anschubfinanzierung für entsprechende Forschungsprojekte auszuschreiben, heißt es.

Die Vorschläge werden durch eine Jury, bestehend aus 15 namhaften Informatikwissenschaftlern, geprüft und nach drei Kriterien beurteilt:

  1. Es handelt sich um ein erkennbar schwieriges, vielleicht auch noch unerkanntes Fachproblem in der Informatik, zu dem es bisher keine oder nur unbefriedigende Lösungen gibt.
  2. Die Lösung verspricht einen hohen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und/oder einen hohen gesellschaftlichen Nutzen.
  3. Die Problemstellung und/oder der potenzielle Nutzen einer Lösung sind sehr gut öffentlich vermittelbar.

Teilnahmeberechtigt sind alle Personen, die die schweizerische Staatsbürgerschaft besitzen oder in der Schweiz wohnen. Teilnahmeschluss ist der 15. August 2008. Die Übergabe der Preise an die maximal drei Award-Gewinner erfolgt dann am 13. November an der ETH Lausanne im Rahmen der offiziellen Schlussveranstaltung des Jahrs der Informatik.

Der offizielle Start der informatica 08 findet am 28. Januar in Zürich statt, mit einem IT-Treffen unter dem Motto "Die Zukunft des Informatik-Standortes Schweiz". Dazu konnten prominente Referenten wie die Bundesrätin Doris Leuthard und Urs Hölzle von Google engagiert werden. Ein anderes Highlight ist Ende August ein nationales Informatik-Happening im Zürcher Technopark. Hier sollen unter dem Motto "Creativity" auch spielerische Aspekte dieses Berufsfeldes und der Spaßfaktor erlebbar gemacht werden, sagt Stefan Arn, Mitinitiator des Jahres der Informatik.

Bei der Entwicklung und Anwendung der Informations- und Kommunikationstechnologien ist die Schweiz bisher recht erfolgreich gewesen und belegt hier seit Jahrzehnten international einen Spitzenplatz. Doch es ziehen dräuende Wolken am Horizont auf: Laut Carl August Zehnder, emeritierter Professor für Informatik an der ETH Zürich, sind seit 2001 die Zahlen der Studienanfänger in Informatik und Wirtschaftsinformatik an den Schweizer Hochschulen dramatisch eingebrochen – an ETH und Unis um über 60 Prozent, an den Fachhochschulen um fast 30 Prozent. Stefan Arn, auch Präsident des Dachverbandes ICT Switzerland, betonte kürzlich in einem Interview mit der NZZ: "In verschiedenen Branchenverbänden ist der Mangel an Informatikern schon seit Längerem ein Thema. Das Image der IT im öffentlichen Bewusstsein ist sehr schlecht. Es gibt die weit verbreitete Meinung, dass Informatik-Arbeitsplätze nach der Dotcom-Krise und im Zeitalter des Offshoring unsicher geworden seien. Der Informatiker-Mangel hat sich in jüngster Zeit verschärft. Deshalb sahen wir uns zum Handeln gezwungen."

Interessant festzustellen ist, dass außer Google kein einziger der großen internationalen IT-Konzerne, die in der Schweiz ansässig sind, als Sponsoren des Jahrs der Informatik gewonnen werden konnten. Stefan Arn spekulierte im NZZ-Interview über die Gründe: "Es fehlt offenbar bei vielen US-Firmen das Bewusstsein, dass die Probleme des Informatik-Standortes Schweiz auch ihre Probleme sein könnten. Ihre hiesigen Niederlassungen sind reine Logistikfirmen, deren Interesse am Schweizer Markt nur gerade bis zum nächsten Quartalsabschluss reicht." (Tom Sperlich ) / (jk)