WIPO-Mitarbeiter fordern ihren Chef zum Rücktritt auf
In einem öffentlichen Brief bezichtigen WIPO-Mitarbeiter ihren Generaldirektor Kamil Idris parteiischer Einstellungspolitik und Beförderungspraktiken.
Die Kritik am Generaldirektor der World Intellectual Property Organization (WIPO) Kamil Idris reißt nicht ab. In einem offenen Brief fordern jetzt WIPO-Beamte ihren Chef unmissverständlich zum Rücktritt auf. Die Vorwürfe in dem auf IP-Watch unter dem Namen des aufrechten römischen Konsuls "Cincinnatus" veröffentlichten Brief sind massiv. "Wir wurden Zeugen von parteiischer Einstellungspolitik und Beförderungspraxis", schreiben die Mitarbeiter, "wir haben fiktive Stellenbeschreibungen gesehen, politische Günstlingswirtschaft, Taktiken, Angst unter den Mitarbeitern und der Mitarbeitervertetung zu verbreiten, angebliche Reformen, das Fehlen ordentlicher Verfahren und die Missachtung demokratischer Prinzipien und interner Regeln."
Idris Taktik scheint es zu sein, den Sturm auszusitzen, und genau das nehmen ihm die abtrünnigen Mitarbeiter jenseits aller Vorwürfe besonders übel. Während der stürmischen Generalversammlung ließ sich Idris praktisch nicht blicken. Unmittelbar nach der Versammlung hat die Schweizer Bundesverwaltung gefordert, unverzüglich ein Neubesetzungsverfahren für den Posten des Generalsekretärs zu starten.
Vergangene Woche hatte die Generalversammlung erstmals in der Geschichte der für das geistige Eigentum zuständigen UN-Organisation kein neues Budget beschlossen, da zahlreiche Industrieländer eine Aufklärung der Idris-Affäre forderten. Dem aus dem Sudan stammenden Idris wird vorgeworfen, dass er über Jahre sein Alter gefälscht habe. Außerdem stehen Vorwürfe zu finanziellen Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit der Bautätigkeit der WIPO im Raum. Afrikanische, arabische und einige asiatische Länder befürchten hinter der Kritik an Idris einen Schachzug der Industrie- gegen die Entwicklungsländer. Einzelne europäische Länder tun sich ebenfalls schwer mit der Kritik, weil sie selbst hochrangige Vertreter im WIPO-Management sitzen haben.
Die WIPO versucht, die Affäre herunterzuspielen und fasste in einer gestern Abend veröffentlichten Pressemitteilung die aus ihrer Sicht positiven Seiten der Generalversammlung zusammen. Die Zustimmung zur entwicklungspolitischen Agenda für die Organisation, neue Flexibilitäten beim Patent Cooperation Treaty (PCT), die Verabschiedung des Tätigkeitsberichts und die Vereinbarung, einen Bericht zu Fragen der Patentrechtsharmonisierung in Auftrag zu geben, sowie die Zustimmung, den Schutz für Rundfunkunternehmen noch auf der Agenda zu behalten – das alles wird als von den Mitgliedsländern gebilligtes Ergebnis in der Pressemitteilung verzeichnet. Einige Beschlüsse wie die Ankündigung, dass die WIPO ab 1. Januar 2008 neue in der UN gebräuchliche Finanzspielregeln und ab 2010 den "International Public Sector Accounting Standard" (IPSAS) einführen will, klingen, als gelobe die Organisation noch schnell Besserung.
Einzig beim Streit um den internen Audit-Bericht und beim Budget räumt die WIPO eine klare Niederlage ein. "Einige Delegationen waren der Ansicht, eine Verabschiedung (des Budgets) sei nicht möglich, ohne gewisse andere Punkte auf der Agenda anzusprechen", heißt es in der WIPO-Mitteilung. Dabei wird darauf abgehoben, dass eine Mehrheit von 64 Ländern für die bedingungslose Verabschiedung des neuen Budgets für 2008 votierte und nur 44 dagegen. Allerdings wäre eine Zweidrittelmehrheit erforderlich gewesen. Damit sei das Budget auf dem aktuellen Stand eingefroren, schreibt die WIPO-Presseabteilung. (Monika Ermert) / (anw)