Robocup Junior: Vielversprechendes Auftaktturnier

Beim ersten diesjährigen Qualifikationsturnier des RoboCup Junior in Magdeburg versuchten sich über 50 der insgesamt 98 angereisten Teams in der Rescue-Liga an der Aufgabe, ihre Roboter einer schwarzen Linie folgen zu lassen.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Einer auf dem Boden gezogenen Linie zu folgen kann auch für Menschen eine Herausforderung sein. Die Polizei testet damit, ob jemand zu viel Alkohol im Blut hat. Bei Robotern dagegen soll der Linientest zeigen, wie gut Konstruktion und Programmierung gelungen sind. Beim ersten diesjährigen Qualifikationsturnier des RoboCup Junior in Magdeburg versuchten sich über 50 der insgesamt 98 angereisten Teams in der Rescue-Liga an der Aufgabe, ihre Roboter einer schwarzen Linie folgen zu lassen. Die verlief teilweise in Kurven, knickte manchmal im rechten Winkel ab, war unterbrochen oder durch Hindernisse verstellt. An einer Stelle ging es zudem ziemlich steil aufwärts. Viele Roboter scheiterten an diesen Herausforderungen und kamen immer wieder vom rechten Weg ab.

Der Rescue-Wettbewerb gilt beim RoboCup Junior als Einsteigerliga, weil der erforderliche apparative Aufwand vergleichsweise gering ist. Es genügen einfache Infrarotsensoren, die die Helligkeit des vom Boden reflektierten Rotlichts messen. Die Roboter können aus Lego-Teilen zusammengebaut werden.

Die eigentliche Herausforderung ist die Auswertung der Messdaten. Schwellenwerte müssen bestimmt werden, damit nicht jeder Messfehler eine Reaktion des Roboters hervorruft. Die Messzyklen und die Fahrgeschwindigkeit des Roboters müssen aufeinander abgestimmt werden, sonst ist der Roboter längst über die Kurve hinaus gefahren, bevor er sie erkannt hat. Außerdem soll der Roboter noch "menschliche Opfer" erkennen, die durch grüne und graue Strichmännchen symbolisiert werden. Das ist besonders schwierig, wenn das Strichmännchen parallel zur schwarzen Linie liegt – was bei diesem Turnier erstmals der Fall war.

Wer damit noch nicht genug hat, darf es sich aber auch gern noch schwerer machen. Wie etwa das Team Hoppus aus Bremen, dessen Roboter mit einer Webcam arbeitet. "Wenn das erst einmal läuft, ist es sehr viel robuster als die Linienerkennung mit den Infrarotsensoren", sagt Jannis Harder, der die Bildverarbeitung programmiert hat. Der Zusatzaufwand hat sich in diesem Fall ausgezahlt: Hoppus erzielte beim Rescue-Wettbewerb der älteren Schüler (14 bis 19 Jahre) die höchste Punktzahl. Gewissermaßen mit 0,0 Promille Bugs im Softwarecode bewältigte der Roboter souverän den anspruchsvollen Kurs durch die Rescue-Arena. Damit zählt das Bremer Team zu denen, die sich für die Teilnahme an den RoboCup German Open im April in Hannover qualifiziert haben.

Die starke Teilnahme in der Rescue-Liga zeigt, dass der RoboCup im zwölften Jahr seiner Existenz nach wie vor Nachwuchstalente anzieht. Das ist auch dringend erforderlich, schließlich ist es das erklärte Ziel der internationalen RoboCup Federation, bis zum Jahr 2050 mit humanoiden Robotern gegen den amtierenden menschlichen Fußballweltmeister zu gewinnen. Vom Alter her könnten unter den Teilnehmern der diesjährigen RoboCup-Junior-Turniere, von denen an den kommenden Wochenenden noch zwei auf dem Nürburgring (1. und 2. März) und in Fürstenfeldbruck (15. und 16. März) stattfinden, bereits welche dabei gewesen sein, die in 42 Jahren vielleicht am Roboterweltmeister mit konstruieren und programmieren.

Bislang scheint das Fernziel des RoboCup für die Schülerinnen und Schüler allerdings noch keine große Rolle zu spielen. "Davon habe ich noch nichts gehört", sagt die 14-jährige Lana Knorr vom Johannes-Kepler-Gymnasium in Weil der Stadt. "Aber ich finde das gut. Bloß wenn dann nur noch mit Robotern Fußball gespielt werden würde, wäre das blöd." Unterdessen kickte der Roboter ihres Teams Shinoda Catz den Gegner in Grund und Boden. Die Shinoda Catz sind eines der wenigen reinen Mädchen-Teams beim Soccer-Wettbewerb des RoboCup Junior. Zum ersten Mal dabei, schafften sie auf Anhieb den dritten Platz und haben damit das Ticket nach Hannover gewonnen.

"Etwa ein Drittel der Soccer- und Rescue-Teams wird weiterkommen", sagte Ansgar Bredenfeld vom Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und Chefkoordinator des RoboCup in Deutschland, noch vor Ende des Turniers. "Beim Tanzwettbewerb dürfte es wegen der vergleichsweise geringen Zahl der Teams ungefähr die Hälfte sein." Die Liste der Teams, die die Qualifikation geschafft haben, sollte gleich nach der Siegerehrung auf der Homepage der RoboCup German Open veröffentlicht werden.

Aber auch wer hier aus dem Turnier ausgeschieden ist, geht nicht mit leeren Händen nach Hause. Betreuende Lehrer wie auch mitgereiste Eltern schwärmen einhellig von den vielfältigen positiven Effekten, die die Teilnahme an einem solchen Wettbewerb hat. Dabei geht es nicht nur um die Technik. "Die Schülerinnen und Schüler lernen, im Team zu arbeiten, sich zu koordinieren und Aufgaben zu verteilen", sagt Anja Tempelhoff, von der Wolfgang-Borchert-Schule in Berlin-Spandau, die das Team "Cisco in Bollywood" nach Magdeburg begleitet hat. Dass ihr fachlicher Rat als Lehrerin nicht gefragt ist und sich ihre Aufgabe praktisch darin erschöpft, das Team mit Essen zu versorgen, wertet sie positiv. Und sie erzählt eine Geschichte, wie sie beim RoboCup oft zu hören ist: Eine Schülerin hatte bei der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz ihre Teilnahme am RoboCup erwähnt. Auf Nachfrage schilderte sie etwas ausführlicher, was das bedeutet – und hatte den Job.

Die RoboCup-Gemeinde ist am Wachsen. Das zeigt sich auch am Werdegang zweier ehemaliger RoboCup-Junior-Teilnehmer: Rico Jonschkowski und David Terlinden, voriges Jahr noch mit den MagdeBots Sieger bei den German Open und Teilnehmer der WM in Atlanta, studieren inzwischen Informatik und Elektrotechnik in Berlin und Magdeburg. Sie haben aber den Kontakt zu ihrer ehemaligen Schule, dem Werner-von-Siemens-Gymnasium, gehalten und betreuen die diesjährigen RoboCup-Junior-Teams als Coaches. "Das ist die Richtung, in die es gehen muss", sagt Bredenfeld dazu begeistert.

Es gab auch enttäuschte Stimmen. Doch die haben weniger mit dem RoboCup zu tun als damit, wie dieser Wettbewerb im Schulalltag aufgefangen wird. Ein Lehrer, der nach diesem Turnier aus gesundheitlichen Gründen in den vorzeitigen Ruhestand geht, weint diesem Alltag keine Träne nach. Seit den Pisa-Studien werde mehr und mehr nur noch auf abfragbares Wissen geachtet, klagt er, der Unterricht werde nach Effizienzkritierien geplant, die umfassende Bildung der Kinder und Jugendlichen trete dagegen in den Hintergrund. Die Robotik-AG, die von seinem persönlichen Engagement gelebt hat, wird nach seinem Ausscheiden eingestellt werden müssen.

Wenn man anderen anwesenden Lehrern davon erzählt, erntet man zustimmendes Kopfnicken. "Bei der Verankerung von Technik im Lehrplan hinkt Deutschland hinterher", bestätigt auch Bredenfeld. Bei der Aufholjagd spielt der RoboCup jetzt schon eine wichtige Rolle, die in den kommenden Jahren weiter zunehmen dürfte. (Hans-Arthur Marsiske) / (anw)