Copyright-Durchsetzung: Internetwirtschaft kritisiert EU-Kommission

Während der Evaluierung der Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums gehe die Kommission von falschen Voraussetzungen aus, meint der Verband eco. Es sei nicht belegt, dass Piraterie der Kreativwirtschaft schade.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 35 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Nachdem eine EU-Untersuchung ergeben hat, dass Online-Piraterie dem digitalen Musikabsatz nicht schadet, legt nun der Verband der Internetwirtschaft eco nach. Auf der Suche nach einer neuen Richtlinie zur Durchsetzung des geistigen Eigentums gehe die EU-Kommission offenbar von einer falschen Annahme aus. Diese hatte im Januar 2011 in einem Evaluierungsbericht zur sogenannten Durchsetzungsrichtlinie aus dem Jahr 2004 (IPRED) das Bild vom Internet als Ort regelmäßiger Rechtsverletzungen gezeichnet. Nun müsse nach Meinung des eco in Frage gestellt werden, ob illegale Downloads als Ursache von Umsatzrückgängen anzusehen sind.

Die EU-Kommission hatte in dem Bericht empfohlen, die Provider und andere Vermittler von Möglichkeiten, das geistige Eigentum zu verletzen, noch stärker in den Kampf dagegen einzubeziehen. Die damit gemeinte Internetwirtschaft, die der eco vertritt, sieht aber den weiteren Evaluationsprozess als problematisch an: Der von der EU-Kommission vorgelegte Fragenkatalog (PDF-Datei) mache es der Internetwirtschaft nicht möglich, ihre Position vorzutragen und zu vertreten. "So ist zu befürchten, dass bereits bei der Erstellung des Fragebogens ein bestimmtes Ergebnis mitgedacht wurde", heißt es in einer Mitteilung des eco.

Wegen der neuen EU-Studie sei eine ergebnisoffene Konsultation sinnvoller. Sie hat ergeben, dass die Verbraucher keineswegs illegale Downloads als Ersatz zum legalen Musikerwerb sehen. Zudem sei bei musikinteressierten Nutzern sogar ein leicht positiver Effekt herauslesbar: Etwa 10 Prozent mehr Klicks auf Piraterie-Seiten würde auch die Klicks auf legale Musikshops um rund 0,2 Prozent steigern. Die meisten anderen Studien zu diesem Themenkomplex seien methodisch problematisch, meint der eco. Die EU-Studie hebe sich aber davon ab, da das Klick- und Surfverhalten von 16.000 europäischen Probanden automatisch ausgewertet worden sei.

Vor diesem Hintergrund geht der eco anderen möglichen Ursachen für den rückläufigen Umsatz der Kreativwirtschaft nach. Zum Beispiel kauften die Verbraucher nicht mehr nur das früher vorherrschende Verkaufsformat Musik-Album, sondern möglicherweise vermehrt einzelne Songs. Als Indiz dafür sieht der eco eine weitere Studie, und zwar der Beratungsfirma booz & co. über den gesamten Kreativsektor. Im Bereich Film gleiche die digitale Distribution den Verlust im stationären Handel bereits aus – obwohl es für Filme ebenfalls rechtswidrige Beschaffungskanäle gebe. "Wenn sich dies im Bereich Musik anders darstellt, spricht das eher dafür, dass eine veränderte Nutzungskultur den Umsatzrückgang verursacht", erläutert der eco.

Oliver Süme, eco-Vorstand für Politik, Recht und Regulierung, resümiert: "Solange das Verhältnis von Ursache und Wirkung in diesem Feld noch so unklar ist, kann eine Verschärfung der geltenden Regeln keine gute Idee sein." Es solle besser überprüft werden, "ob die bestehende Richtlinie zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums in allen EU-Ländern adäquat umgesetzt wurde. Zudem sollten die Rahmenbedingungen für legale digitale Angebote verbessert werden."

Der eco hatte bereits die 2004 verabschiedete "Richtlinie über die Maßnahmen und Verfahren zum Schutz der Rechte an geistigem Eigentum", die nun evaluiert wird, kritisiert. Seinerzeit hieß es aus dem Verband, die Musikindustrie sehe die Zugangsanbieter schon als "Störer" und wolle sie regelmäßig stärker in die Pflicht nehmen. Die Richtlinie schiebe dieser Auslegung keinen Riegel vor, sondern spiele dem "geschäfts- und vertrauensschädigenden" Vorgehen der großen Labels und ihrer Verbände prinzipiell in die Hand. Voriges Jahr kritisierte der eco das Urteil des Bundesgerichtshofs zum Filesharing. Er befürchtete eine steigende Zahl der Auskunftsersuchen an die Provider, die voriges Jahr bereits über 300.000 Mal im Monat Daten zu IP-Adressen auf Gerichtsbeschluss herausgeben müssten. (anw)