Die Guten in Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen
Harvard-Mediziner haben ein Verfahren zur Krebsdiagnose entwickelt, das erstmals zwei Sortiermechanismen für Zellen auf einem Biochip kombiniert. Damit soll eine schnelle Tumorerkennung gelingen.
- Susan Young
Harvard-Mediziner haben ein Verfahren zur Krebsdiagnose entwickelt, das erstmals zwei Sortiermechanismen für Zellen auf einem Biochip kombiniert. Damit soll eine schnelle Tumorerkennung gelingen.
Die Standardmethode, um Krebs zu diagnostizieren, ist bis heute die Biopsie. Der Arzt entnimmt eine Gewebeprobe, die unter dem Mikroskop untersucht wird. Das erfordert mitunter einen unangenehmen Eingriff. Eleganter wäre es, Krebszellen direkt in einer Blutprobe aufzuspüren. Nur kommen auf eine Tumorzelle in der Blutbahn etwa eine Million andere, reguläre Zellen. Die Tumorzelle zu identifizieren, gleicht so der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Vielleicht hilft hier ein neues mikrofluidisches Gerät weiter, das Forscher des Massachusetts General Hospital und der Harvard Medical School entwickelt haben: der "CTC iChip".
Während andere Gruppen die kranken Zellen mit so genannten Biomarker-Molekülen erkennen wollen, haben die Harvard-Mediziner zwei Mechanismen zum Sortieren von Zellen auf einem Biochip miteinander kombiniert. Der Vorteil: Ärzte bräuchten nicht die molekularen Eigenheiten der Krebszellen kennen – das Gerät würde sie dennoch erkennen. „Das ist ein substanzieller Schritt nach vorne im Vergleich zu bisherigen mikrofluidischen Geräten“, sagt Peter Kuhn, der am Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien, die Ausbreitung von Krebszellen untersucht.
„Bei unserem Vorgängergerät mussten wir noch Informationen über die Oberflächenbeschaffenheit einer Tumorzelle haben“, sagt Mehmet Toner, einer der beteiligten Forscher am Massachusetts General Hospital, dem Lehrkrankenhaus der Harvard University. In den mikrofluidischen Kammern eines Biochips deponierte er dann die passenden Antikörper, die aus einer durchfließenden Blutprobe die Tumorzellen herausfischen konnten. Die Prozedur dauerte allerdings vier bis fünf Stunden. Für eine rasche Diagnose sei das zu lang, zumal der Biochip-Ansatz sich nicht für beliebige Tumore eignete, sagt Toner.
In dem neuen Verfahren werden weiße Blutkörperchen zunächst mit magnetischen Teilchen verbunden. Die sind mit Antikörpern umhüllt, die nur an Oberflächenproteine der Blutkörperchen andocken. Anschließend wird die Blutprobe durch mikrofluidische Kammern geleitet, die rote Blutkörperchen, Blutplasma und überzählige Magnetteilchen über ihre Größe aussieben. Die weißen Blutkörperchen werden hingegen mit Hilfe eines Magnetfelds herausgezogen. „Früher haben wir uns auf die Tumorzellen konzentriert, über die wir eigentlich kaum etwas wussten“, sagt Toner. Jetzt funktioniere es genau andersherum: „Wir schnappen uns all die Zellen, die wir genau kennen, nämlich die verschiedenen Blutzellen.“
Diese Kombination aus Größensortierung und magnetischer Abtrennung sei ein Vorteil gegenüber den bisherigen Verfahren, sagt Gajus Worthington, CEO der kalifornischen Firma Fluidigm, die mikrofluidische Geräte herstellt. Bislang seien die in getrennten Biochips eingesetzt worden. „Wenn man von einer Mikroprozedur zu einer Makroprozedur und dann wieder zu einer Mikroprozedur wechseln muss, geht etwas verloren, und die Information wird verrauscht“, sagt Worthington.
Das große Ziel sei, Tumore so früh wie möglich zu erkennen, sagt Mehmet Toner: „Bei einer späten Krebsdiagnose überleben nur zehn Prozent der Patienten, bei einer frühen hingegen 90 Prozent“. Allerdings sei noch nicht klar, ob Tumorzellen in einem frühen Krebsstadium überhaupt schon in die Blutbahn gelangen, gibt Luis Diaz, Onkologe an der Johns Hopkins University, zu bedenken. „Das war bislang das Problem an wandernden Tumorzellen – man findet sie erst im fortgeschrittenen Stadium.“
Das Paper:
Stott, L. et al.: "Inertial Focusing for Tumor Antigen–Dependent and –Independent Sorting of Rare Circulating Tumor Cells", Science Translational Medicine, Vol. 5, Issue 179, DOI: 10.1126/scitranslmed.3005616 (Abstract).
(nbo)