Österreichs Verkehrsministerin will polizeiliche Videoüberwachung für Autobahnen

Die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures möchte der Polizei direkten Zugriff auf die Kameras auf Autobahnen geben. Datenschutzexperten halten dies für "unglaublichen populistischen Unfug".

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Die österreichische Verkehrsministerin Doris Bures möchte der Polizei direkten Zugriff auf die Kameras auf Autobahnen geben. Sie beruft sich dafür auf die schlecht funktionierende "Rettungsgasse". Unterstützung kommt von Feuerwehr und Rettung. Eine ungewöhnliche Allianz aus Datenschützern und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) steht dem Vorschlag ablehnend gegenüber. Die Autofahrerklubs sind uneins.

Der österreichische Autobahn-Betreiber ASFINAG betreibt knapp 4.900 Kameras, was mehr als zwei Kameras pro Autobahnkilometer entspricht. Damit wird etwa die Hälfte des Autobahnen- und Schnellstraßennetzes erfasst. 3.600 Kameras sind in Tunnels angebracht, ihre Bilder werden laufend aufgezeichnet. Die übrigen 1.300 Kameras werden nur live ausgewertet. Etwa 800 Kameras sind aus der Ferne schwenk- und zoombar. Diese haben es der Verkehrsministerin besonders angetan.

Bures möchte, dass die Polizei direkten Zugriff auf die ASFINAG-Kameras erhält. Die Polizei soll die Kameras fernsteuern können und selbst entscheiden, wann sie was aufzeichnet – "zum Zwecke von Verwaltungsstrafverfahren und nur bei Vorliegen eines konkreten Verdachts". Aufnahmen unbeteiligter Personen sowie Kennzeichen unbeteiligter Kraftfahrzeuge sollen unkenntlich gemacht oder gelöscht werden.

Als Argument bemüht Bures die Rettungsgasse, die Anfang 2012 in Österreich eingeführt wurde: Bei stockendem Verkehr sollen Lenker ihre Fahrzeuge so positionieren, dass sich zwischen der äußerten linken und der angrenzenden Fahrspur ein Raum bildet, in dem Einsatzfahrzeuge durchfahren können. Die Verkehrsteilnehmer sollen dafür auch den Pannenstreifen, so vorhanden, nutzen. "Einzelne Autofahrer ignorieren immer wieder das Gesetz und behindern damit den lebensrettenden Einsatz der Rettungsorganisationen", sagt Bures, und will diese Lenker mittels Videoüberwachung ausforschen und bestrafen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) überraschte mit ihrer ablehnenden Reaktion. "Gerade im sensiblen Bereich des Datenschutzes halte ich Schnellschüsse jedenfalls für höchst bedenklich", wird sie vom ORF zitiert, "Ich denke, in erster Linie wäre es richtig, die Autofahrer besser zu informieren und nicht stattdessen flächendeckend zu überwachen." Zumal es nicht um Straftaten, sondern nur um Verwaltungsübertretungen gehe. Zum Vergleich führte sie aus, dass das Innenministerium zur Kriminalitätsbekämpfung derzeit 18 Kameras an speziellen Standorten einsetze [insbesondere Plätze, die für den Straßenhandel mit Drogen bekannt sind, Anm. d. Red.].

Datenschutz-Experte Hans Zeger von der ARGE Daten sieht in Bures' Vorstoß einen "unglaublichen populistischen Unfug". Er hält die angekündigte Novelle der Straßenverkehrsordnung (StVO) für verfassungswidrig. Der ÖAMTC, Österreichs größer Autofahrerklub, ist gegen die Videoüberwachung, solange nicht klar ist, wann die Rettungsgasse genau zu bilden ist. Der ÖAMTC gilt als ÖVP-nah. Der SPÖ-nahe ARBÖ hingegen unterstützt den Plan der Verkehrsministerin. Bures möchte das Gesetz noch vor dem Ende der Legislaturperiode im September ändern lassen. (jk)