StudiVZ-Chef fordert runden Tisch zum Datenschutz im Web 2.0

Der Geschäftsführer des sozialen Netzwerks, Marcus Riecke, hat sich bei einer Diskussion mit Schülern zum 2. Europäischen Datenschutztag dafür ausgesprochen, Rahmenbedingungen für Community-Plattformen abzustecken.

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Der Geschäftsführer von StudiVZ, Marcus Riecke, hat sich bei einer Diskussion mit Schülern zum 2. Europäischen Datenschutztag an der Robert-Jungk-Oberschule in Berlin am heutigen Montag für die Einberufung eines runden Tischs zum Datenschutz im Web 2.0 ausgesprochen. Andere Plattformanbieter, Hüter der Privatsphäre, Werbetreibende, Jugendschützer und Innenpolitiker sollten zusammenkommen, um Rahmenbedingungen für soziale Netzwerke und andere Plattformen im Mitmach-Web abzustecken. Dabei sei etwa der "Zielkonflikt zwischen Daten- und Jugendschutz" bei der Frage der Speicherung von Logfiles der Nutzer zu erörtern. "Wenn wir es nicht tun, können wir keinen Ermittlungsersuchen nachkommen", erläuterte Riecke die "Wahl zwischen Pest und Cholera".

Der Berliner Landesdatenschutzbeauftragte Alexander Dix plädierte klar dafür, keine "Clickstreams" der Community-Mitglieder aufzuzeichnen. Seine Behörde führt seit dem Aufschrei nach der Änderung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) von StudiVZ einen Dialog mit dem Berliner Unternehmen über Verbesserungen bei der Gewährleistung der Privatsphäre. Die Plattformbetreiber wollten sich ohne große Erklärungen auch die Erlaubnis einholen, den Mitgliedern Werbung per SMS oder Instant Messenger zu schicken und die Angebote insgesamt stärker auf persönliche Interessen zuzuschneiden. Nach Bekanntgabe der Regeln hatten zahlreiche Mitglieder gegen die Verwendung persönlicher Daten für Werbezwecke protestiert, sodass StudiVZ nach Kritik auch von Datenschützern teils zurückruderte.

"Wir waren wahnsinnig naiv", erinnerte sich Riecke an den ausgelösten Proteststurm. Es wäre besser gewesen, trotz positiver Tests in Fokusgruppen die AGB nicht einfach ohne Erläuterungen per E-Mail zu versenden. Insgesamt sei es eine ganz entscheidende Aufgabe der Betreiber von sozialen Netzwerken, neben den Chancen auch über Risiken aufzuklären. "Aber auch die Selbstverantwortung jedes Einzelnen können wir nicht wegdiskutieren." Mechanisch könne etwa jeder Nutzer Einstellungen zur Privatsphäre vornehmen, es gebe da aber "keinen goldenen Schuss". Insgesamt "ist das Thema Datenschutz für uns die Vertrauensgrundlage", beteuerte Riecke. Sei sie einmal zerstört, seien auch die Mitglieder weg.

Als Ergebnis der Gespräche mit Dix denken die Macher von StudiVZ laut Riecke momentan auch darüber nach, "den gesamten Registrierungsprozess in Richtung mehr Transparenz zu verändern". Dringend erforderlich sei auch ein Alterskontrollsystem, das in einer Gemeinschaftsinitiative von verschiedenen Unternehmen und Werbefirmen geschaffen werden sollte. Zuvor hatte ein Lehrer beklagt, dass auf StudiVZ und dem Ableger SchülerVZ "viel Mobbing getrieben" werde und Foren etwa zu Flatrate-Saufen geduldet würden. Dem stellte Riecke einen Verhaltenskodex entgegen, der solche Umtriebe verbieten würde. Ein Jugendschutzexperte des Netzwerks erläuterte, dass man bei der Inhaltekontrolle auf Hinweise aus der virtuellen Gemeinschaft angewiesen sei. Bei rund sieben Millionen Nutzern, die unter anderem täglich etwa 600.000 Fotos hochladen, wären die 70 mit der Entfernung von jugendgefährdenden Inhalten beschäftigten Mitarbeiter sowie die installierten technischen Filter sonst komplett überfordert.

Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar hatte den zahlreich erschienenen Schülern zunächst verdeutlicht, dass Privatsphäre nicht nur ein Thema für Leute wie ihn sei, "die mit Haarausfall zu tun haben". Es sei wichtig, gerade in einer Generation, die Computer und Internet quasi in ihr Leben integriert hätten, ein Bewusstsein auch für die Gefahren der Datenausbreitung zu schaffen. Er habe mit seinen Mitarbeitern ein Experiment gestartet und anhand der Liste der Teilnehmer an der Debatte einfach mal geschaut, "was wir über Sie im Internet finden". Da seien dann jede Menge Bilder, Videos und Nachrichten zu Tage gekommen, "auch bei den Jüngeren hat es ganz schön viele Treffer gegeben etwa bei StudiVZ, MySpace oder StayFriends". Teils sei man auf "peinliche Rechtschreibfehler" und Vorlieben gestoßen, "die mancher den Eltern nicht preisgeben wollte". Die Schüler sollten sich aber keine Sorgen machen, "wir outen hier niemanden", trieb Schaar das Spiel noch auf die Spitze, bevor er unter lautem Applaus aus dem Publikum erklärte, dass "alles ein Scherz war".

Natürlich sei es so, rührte der Datenschützer weiter die Trommel für sein Anliegen, dass im Web hinterlassene Informationen und Bilder "auch Interessenten finden" und darunter "nicht nur Gutmenschen" seien. "Wir haben Beschwerden von Nutzern, dass sie auf Grund der Auswertung des Netzverhaltens nicht eingestellt worden sind." Wer hier und heute nicht als Schüler über solche Sachverhalte nachdenke, der habe möglicherweise schlechte Folgen für sein berufliches Fortkommen zu befürchten. "Das Internet vergisst nichts", warnte Schaar. "Deshalb nutzt es mit Köpfchen."

Walter Momper, Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses, rief die Jugendlichen dazu auf, "auch das Kleingedruckte" bei Geschäftsbedingungen zu klären. Zugleich wetterte er gegen eine häufig anzutreffende Form von so genannten Datenschutzerklärungen, "die das genaue Gegenteil bewirken". Nur wenn der immer wichtiger werdende Datenschutz funktioniere, "verliert der Einzelne nicht die Freiheit, über seine Daten selbst zu bestimmen".

Viele der rund 200 versammelten Schüler zeigten sich hin und her gerissen. "Werbung ist mir egal", meinte Dorothea Krause von der Johann-Gottfried-Herder-Oberschule zu Reklamesendungen in Online-Gemeinschaften, die nicht auf ihr Profil zugeschnitten sind. "Es macht mir eher Sorgen, was mit meinen Daten passiert." Max Bayer von der Carl-von-Ossietzky-Oberschule forderte Riecke auf, über den "Verkauf von Daten" durch StudiVZ besser aufzuklären. 80 Prozent der Nutzer wüssten nicht, "was an Vernetzung dahinter steckt". Selbst wenn der Betreiber nicht direkt Informationen über die Mitglieder verkaufe, sondern Geld über die Weitergabe statistischer Angaben an Werbekunden verdiene, könnten Dritte Profile etwa kategorisieren und daraus ihre Schlüsse ziehen.

Andere Schüler meinten, dass sich diejenigen Surfer, die über ihre Daten besorgt seien, ja erst gar nicht bei sozialen Netzwerken anmelden müssten. An dieser Einstellung änderte auch die Ansage von Andreas Kauf als Vertreter der Personalberatungsfirma Heidrick & Struggles in München nichts, dass "Personalstellen natürlich die Informationsquellen des Internets nutzen und das immer mehr tun". Auf diese Weise werde etwa verifiziert, "ob der Interessent tatsächlich der leidenschaftliche Sportler ist, als der er sich ausgibt." (Stefan Krempl) / (jk)