Kein Chance auf ein Monopol

Die 2009 gestartete Digitalwährung Bitcoin, von manchen Ökonomen als Spekulationssystem kritisiert, bekommt Konkurrenz. Die fördert Innovationen und könnte zu stabilen Alternativ-Währungen im Netz beitragen.

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Von
  • Tom Simonite

Die 2009 gestartete Digitalwährung Bitcoin, von manchen Ökonomen als Spekulationssystem kritisiert, bekommt Konkurrenz. Die fördert Innovationen und könnte zu stabilen Alternativ-Währungen im Netz beitragen.

Bitcoin sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. Erst setzte vor allem im krisengeschüttelten Zypern ein regelrechter Run ein, Konten für die digitale Währung zu eröffnen, derweil deren Kurs zum Dollar in schwindelerregende Höhen kletterte. Am 11. April hatte der Wechselkurs unglaubliche 260 Dollar pro Bitcoin erreicht. Seitdem schmiert das kryptographisch gesicherte Digitalgeld wieder ab: Gestern abend war ein Bitcoin nur noch um die 92 Dollar wert (21:00 MESZ). Daraus zu folgern, die virtuelle Währung sei nur ein Hype, wäre jedoch voreilig. Vielmehr ist sie ein wichtiges Experiment, das bereits Nachahmer findet – und die wollen aus den Schwächen von Bitcoin lernen.

Die verbreitetste Alternative ist derzeit Litecoin – Gesamtwert: 38 Millionen Dollar –, gefolgt von PPCoin mit dem noch bescheideren Gesamtwert von vier Millionen Dollar. Zum Vergleich: Der Wert sämtlicher erzeugter Bitcoins betrug auf dem Peak bereits zwei Milliarden Dollar. Gestern abend waren es immerhin noch 1015 Millionen Dollar (21:00 MESZ).

Bitcoin machte vor drei Jahren durch seine ungewöhnliche Architektur Furore. Die Währung wird nicht von einer Zentralbank herausgegeben, sondern in einem „Mining“ genannten Prozess geschöpft. Hochleistungsrechner wetteifern beim Mining um die Lösung eines kryptografischen Rätsels. Derjenige, der es löst, erzeugt einen Satz von derzeit 25 neuen Bitcoins. Transaktionen zwischen Bitcoin-Besitzern werden ebenfalls durch ein kryptografisches Verfahren verifiziert, und zwar von den am Bitcoin-System teilnehmenden Rechnern selbst. Kopien oder Diebstähle von Bitcoins sollen so unmöglich gemacht werden.

Konkurrent Litecoin will nun damit punkten, dass es die Bestätigung einer Transaktion deutlich schneller bewältigt. Die Verifizierung im Bitcoin-System dauert im Durchschnitt zehn Minuten, kann aber auch schon mal eine Stunde in Anspruch nehmen. Das hindere Online-Shops daran, mit der Digitalwährung zu arbeiten, sagt Charles Lee, der das Litecoin-System entwickelt hat. „Manchmal müssen Händler unbestätigte Transaktionen akzeptieren, weil die Bestätigung viel zu langsam ist.“ Litecoin-Transaktionen werden nach durchschnittlich 2,5 Minuten akzeptiert.

Auch die Schöpfung der virtuellen Münzen ist bei Litecoin und bei PPCoin überarbeitet worden. Weil das Bitcoin-Mining nur von leistungsstarken Rechnern bewältigt werden kann, findet bereits ein regelrechtes Wettrüsten statt. Einige Bitcoin-Schöpfer setzen inzwischen auf spezielle, „Mining Rigs“ genannte Rechner-Konstruktionen. Denn der Aufwand des Minings lohnt sich am Ende nur, wenn eine kalkulierbare Chance vorhanden ist, selbst immer wieder neue Bitcoins zu schöpfen.

Die mathematische Aufgabe beim Litecoin-Mining ist hingegen nicht auf leistungsstarke Chips oder Grafik-Chips ausgelegt, wie sie im Bitcoin-System eingesetzt werden. Lee will die Geldschöpfung damit weniger abhängig von einigen weniger „Minern“ machen. Ihm ist wichtig, dass sich mehr Nutzer an dem Prozess beteiligen können.

Im PPCoin-System wiederum soll das herkömmliche Mining durch ein anderes Verfahren ersetzt werden. Neue Digitalmünzen werden nicht an die dicksten „CPU-Muskeln“ vergeben, sondern in einer Art Lotterie verteilt. Die Chancen, PPCoins zu bekommen, hängen dabei vom Kontostand eines teilnehmenden Nutzers ab.

Damit wollen die PPCoin-Gründer die Schöpfung und die Transaktionsbestätigungen auf der einen Seite von Rechenkraft und damit verbundenem Energieverbrauch auf der anderen Seite entkoppeln. Im Bitcoin-System sind beide Seiten noch aneinander gekoppelt. Zuletzt hatten Kritiker bemängelt, der Energieverbrauch des Bitcoin-Minings sei so hoch, dass die Digitalwährung ökologisch kaum nachhaltiger sei als klassische Währungen. „Mit der Entkopplung wollen wir PPCoin langfristig energieeffizient machen“, sagt Sunny King, einer der PPCoin-Gründer. Neben dem Umweltnutzen bringe dies auch eine höhere Wettbewerbsfähigkeit bei den Transaktionskosten mit sich.

Die starre Struktur des Bitcoin-Systems sei nicht dazu angetan, die Währung langfristig stabil zu halten, geschweige denn zu einem idealen Geld zu machen, sagt George Selkin von University of Georgia. Der Ökonom hat vor kurzem eine Analyse zu Bitcoin veröffentlicht. „Das gibt Konkurrenten genug Spielraum, Bitcoin am Ende auszustechen“, glaubt Selgin.

Manche Bitcoin-Anhänger sind über die Konkurrenz nicht erfreut. Sie fürchten, dass diese Bitcoin dabei behindern würden, zu einer Mainstream-Währung zu werden. Selgin hingegen sieht die Konkurrenz positiv: Sie könnte die Chancen für alle beteiligten Krypto-Währungen erhöhen, sich zu behaupten.

„Langfristig könnten sich so eine oder mehrere sehr stabile Währungen etablieren“, sagt Selgin. Wie im Wirtschaftsgeschehen allgemein zu beobachten, verbessere Konkurrenz die Qualität, auch wenn es Sieger und Verlierer gebe. Etablierte Währungen wie der Dollar dienten dabei als relativ sicherer Hafen. Ihre Existenz könne heftige Schocks für Besitzer von digitalen Währungen abmildern, weil die sich in ihrer Konkurrenz im Verhältnis etwa zum Dollar ausgleichen, sagt Selgin.

Die Erfinder von Litecoin und PPCoin geben sich allerdings wortkarg, wenn man sie auf Versuche anspricht, Bitcoin abzuwerten oder zu destabilisieren. Wenig überraschend sehen sie für die Zukunft ein Nebeneinander mehrerer Krypto-Währungen. „Wenn Bitcoin das Gold ist, wurde Litecoin gewissermaßen als das Silber angelegt“, sagt Litecoin-Erfinder Lee. „Die Menschen bekommen eine Alternative, falls mit Bitcoin etwas passiert.“ Auch PPCoin-Mitgründer King hält ein Monopol bei kryptografischen Digitalwährungen für wenig wahrscheinlich. „Ich bin optimistisch, dass Bezahlungen in Krypto-Währungen einen erheblich Anteil am Online-Handel übernehmen werden.“

(nbo)