Leid Tragende

Keiner mag sie, jeder hat sie – zumindest hin und wieder: Schmerzen sind so vielfältig wie ihre Ursachen. Detaillierte Protokolle, wann sie wie stark aufgetreten sind, können helfen, chronische Schmerzen in den Griff zu bekommen.

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Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Diane Sieger
Inhaltsverzeichnis

Viele ITler werden sporadisch oder regelmäßig von Schmerzen geplagt: Rückenprobleme vom ständigen Sitzen, Kopfschmerzen vom kontinuierlichen Starren auf den Bildschirm oder RSI-Syndrom (Repetitive Strain Injury) im Schulter-, Arm- oder Handbereich von der Maus- und Tastaturnutzung. Viele ignorieren zunächst den aufkeimenden Schmerz und suchen den Arzt erst auf, wenn sich das Leiden nur noch schwer ertragen lässt.

Spätestens beim Besuch in der Praxis stellen die Leidgeplagten dann fest, dass sie einige Fragen des Doktors nur vage beantworten können. „Wann trat der Schmerz zum ersten Mal auf?“, „Gibt es Tage/Wochen, an denen er weniger intensiv ist?“ oder „Welche Medikamente haben Sie bereits ausprobiert, und haben diese Erleichterung verschafft?“ sind nur einige Fragen, auf die Patienten ohne detaillierte Aufzeichnungen oft nur mit einem Schulterzucken reagieren können.

Um auf die Schmerzbehandlung optimal vorbereitet zu sein, empfiehlt es sich daher, ein Schmerztagebuch zu führen. Diverse mobile Anwendungen machen es einfacher, den Schmerz zu beschreiben und zu protokollieren.

Eine iPhone-Anwendung, die auf den ersten Blick recht vielversprechend aussieht, ist der kostenlose Pain Tracer aus dem Hause Grünenthal. Über fünf Bildschirmansichten hinweg lassen sich per Schieberegler neben Schmerzintensität Angaben zu Schlafqualität, Beweglichkeit, Müdigkeit, Magenschmerzen, Übelkeit, Schwindel und Konzentration festhalten. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, eingenommene Medikamente sowie Informationen über den Stuhlgang einzugeben.

Zunächst scheint es, als wäre die App ein Highlight unter den Schmerztagebüchern, deren einziger Makel es ist, dass der Anwender nur eine Art von Schmerz protokollieren kann. Wer beispielsweise unter Rückenschmerzen und Migräne leidet, kann nicht zwischen zwei verschiedenen Formen von Schmerz differenzieren.

Die wirkliche Enttäuschung kommt jedoch erst, wenn man sich die Entwicklung der zuvor genannten Kategorien über einen bestimmten Zeitraum anschauen möchte. Während die Graphenansicht auf dem iPhone die Daten noch originalgetreu abbildet, ist der erstellbare PDF-Report nutzlos. Zwar werden auch hier korrekte Graphen dargestellt, die ihnen zugeordneten Überschriften sind jedoch inkorrekt. Die Autorin war zumindest erstaunt, dass der PDF-Bericht Magenschmerzen und Übelkeit enthielt, die ihr zuvor nicht bekannt waren. Es bleibt zu hoffen, dass es sich hierbei um einen temporären Bug handelt, den die Entwickler in einer neueren Version beseitigen.

Für ein wesentlich genaueres Tracken des Gesundheitszustandes mit dem iPhone, iPad touch oder iPad empfiehlt sich das „Schmerztagebuch – Pain Diary Pro“. Nach dem Festhalten des genauen Schmerzes fragt die Anwendung weitere Krankheitsindikatoren wie Körpertemperatur, Puls, Blutdruck und Blutzuckerwerte ab. Zusätzlich lassen sich schmerzbekämpfende Medikamente, Therapien und Übungen sowie deren Wirksamkeit eintragen. Berichte kann der Anwender einfach per E-Mail aus der App heraus versenden.

Derart detaillierte Daten bergen allerdings den Nachteil, dass Eintragungen mehr Zeit beanspruchen als bei vergleichbaren Anwendungen. Auch die minutiöse Aufzeichnung des Schmerzzeitraums inklusive Start- und Endzeit ist für chronisch Kranke, die unter lang andauernden Schmerzen leiden, wenig ansprechend. Wer jedoch nach einer differenzierten Trackingmethode sucht, ist mit diesem Schmerztagebuch gut bedient.

Unentschlossene können die Anwendung zunächst kostenlos testen, indem sie zur Gratisversion greifen. Bei Gefallen ist das Upgrade zum Preis von 2,69 Euro jedoch sinnvoll: Einträge sind in der Vollversion unlimitiert, die Einblendung von Werbebannern entfällt, und es lassen sich E-Mail-Berichte mit CSV-Export erstellen. Zusätzlich werden die eingegebenen Daten gesichert und sind bei Verlust gegebenenfalls wiederherstellbar.

Am eher kostspieligen Ende der Schmerztracker-Anwendungen befindet sich „My Pain Diary: Chronic Pain Management“. Zum Preis von 8,99 Euro bietet die App jedoch auch wesentlich mehr als die günstigeren und kostenlosen Alternativen. Beispielsweise lassen sich verschiedene Schmerzarten mit einem farbigen Fähnchen markieren. Außerdem kann man einem Eintrag Fotos hinzufügen, was besonders für diejenigen von Bedeutung sein kann, die unter Schmerzen nach Unfallverletzungen oder Operationen leiden, um Heilungsfortschritte visuell zu dokumentieren.

Selbstständig fügt die Anwendung Wetterdaten ein, basierend auf dem Ort, an dem sich das iOS-Gerät gerade befindet. Dadurch zeigen sich Zusammenhänge zwischen Schmerzentwicklung und Witterung. Die übersichtlich gestalteten PDF-Berichte kann der Anwender als Preview anschauen, bevor er sie per E-Mail versendet. Eine rundum gelungene Anwendung, mit der das Verfolgen mehrerer verschiedener Schmerzverläufe einfach ist.

Ist der chronische Schmerz auf Migräne begrenzt, sollte das „Kopfschmerztagebuch Pro“ die Anwendung der Wahl sein. Die Tagebuchfunktion erlaubt die detaillierte Aufzeichnung verschiedener Fakten: Schmerzart, -ort, -stärke und -dauer. Zusätzlich lassen sich weitere Symptome wie Übelkeit, Schwindel oder Lichtempfindlichkeit hinzufügen. Eingabefelder für Schmerzauslöser und Behandlung runden das Angebot ab.

Aufgrund der eingegebenen Daten lassen sich umfangreiche Statistiken erstellen. Das herausragende Feature ist die Schnellerfassung: Sobald der Kopfschmerz beginnt, kann der Anwender die zeitgenaue Eintragung starten und drei wesentliche Merkmale (Schmerzart, -ort und -stärke) innerhalb weniger Sekunden hinzufügen. Einziger Nachteil dieser Anwendung: Man kann keine PDF-Berichte erstellen. Wer seine Statistiken mit einem Arzt teilen möchte, muss diesem sein iPhone oder iPad reichen.

Das Äquivalent für Android-Geräte heißt „Kopfschmerz Kalender Pro“, und verfügt in Wesentlichen über dieselben Eigenschaften wie die iOS-Variante. Zusätzlich bietet die Anwendung einen Bericht-Export an, sodass man dem Doktor eine gedruckte Version der Statistiken vorlegen kann. Erhältlich zum Preis von 2,49 Euro.

Möchte man nicht gleich Geld für diese App ausgeben, kann man die Basisfunktionen zunächst als Lite-Version kostenlos testen. In ihr stehen jedoch viele Features der Vollversion nicht zur Verfügung. Beispielsweise ist die Anzahl der Einträge begrenzt, der Anwender kann mit dem Kopfschmerz nicht mehrere Ursachen assoziieren, und es stehen nur wenige Statistiken zur Auswertung bereit. Zusätzlich beinhaltet die Gratisversion Werbeeinblendungen.

Wem die Datenpflege für die vorgestellten Anwendungen zu aufwendig erscheint, der sollte einen Blick auf „Schmerzskala“ werfen. Die App kommt ohne viel Schnickschnack aus, die einzigen Felder, die es auszufüllen gilt, sind Schmerzzeitpunkt und -intensität. Um welche Art von Schmerz es sich gehandelt hat, kann der Anwender im Feld „Besonderheiten“ hinzufügen. Zwingend ist das aber nicht. Die Darstellung von Schmerzen als Graph sowie die Versendung eines Berichts per E-Mail sind ebenfalls möglich. Die iPhone/iPad-Anwendung gibt es zum Preis von 3,59 Euro.

Fazit nach einer Reihe getesteter Anwendungen: Wer bislang ein Schmerztagebuch auf Papier geführt hat, wird die meisten mobilen Anwendungen voraussichtlich als zu zeitintensiv empfinden. Alle hier besprochenen Apps fragen eine Reihe von Daten ab, die zwar in der Auswertung sicherlich einen Mehrwert bringen, jedoch im Gegensatz zu einer in ein Papiertagebuch gekritzelten Nummer mehrere Minuten zur Eingabe verlangen. Am besten baut man die Nutzung eines Schmerztrackers in die morgendliche oder abendliche Routine ein.

Doch die besten mobilen Anwendungen nützen recht wenig, wenn man nicht weiß, was man mit den gesammelten Daten tun soll, um den Schmerz zu lindern und ein Stück Lebensqualität zurückzuerlangen. Es bietet sich daher an, sich zum Beispiel über die App „Xplain Pain“ näher mit dem Thema zu befassen. Im Grunde genommen handelt es sich dabei um eine Broschüre, die davon profitiert hätte, als E-Book zu erscheinen.

Navigieren kann der Anwender nur über ein Karussell am unteren Ende des Bildschirms. Trotzdem sind die enthaltenen Informationen hilfreich, besonders für Patienten, für die Schmerz noch eine relativ neue Erfahrung ist. Da diese App kostenlos für iOS-Geräte erhältlich ist, lohnt sich der Download. (ka)