ITU-Trendbericht: Apps regieren das Netz

2016 könnte der durch Apps verursachte Datenverkehr zwei Drittel des Gesamtverkehrs ausmachen. Weiter macht sich die Internationale Fernmeldeunion Gedanken zur Regulierung der Netzneutralität.

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44.000 Petabytes Daten werden jeden Monat weltweit laut der Internationalen Fernmeldeunion durch die Netze gepumpt. Für 2013 rechnet die ITU in ihrer Studie "Trends in Telecommunication Reform 2013" mit einer weiteren Zunahme um 14.000 Petabytes pro Monat. Das wären doppelt so viele Daten wie weltweit zwischen 1994 und 2003 insgesamt ausgetauscht wurden. Der Datenverkehr via Apps könnte dabei 2016 zwei Drittel des Gesamtverkehrs ausmachen, schätzt die Genfer UN-Organisation. Mit den schwindelerregenden Datenvolumina und Veränderungen sieht die ITU auch regulatorische Herausforderungen einhergehen und gibt dazu Empfehlungen.

Ausführliche Hinweise liefert der 218-Seiten starke Bericht zur Regulierung der Netzneutralität. Abgesehen davon, einen robusten Wettbewerb im Breitbandmarkt und effektive Wahlmöglichkeiten und Transparenzansprüchen der Nutzer abzusichern, rät die ITU dazu für den Einsatz von Deep Packet Inspection, dort einzugreifen, wo ein unfaires und für die Kunden schädliches Netzwerkmanagement betrieben wird. In solchen Fällen sollten Mindestqualitätsstandards und Verbote, Dienste zu blockieren, erlassen werden.

Die Bedeutung des Themas Netzneutralität wird nach Ansicht der ITU mit den zunehmend datenintensiven Anwendungen weiter zunehmen, denn diese werde die Last in den Netzen weiter erhöhen – und die Auseinandersetzung zwischen Netzanbietern und den Over-The-Top-Diensten (OTT) noch verstärken. Der Anteil der traditionellen Netzanbieter am weiter aufgehenden Netzkuchen werde weiter zurückgehen. Bis 2020 könnten etwa 6,9 Prozent der Erlöse im Bereich Sprachtelefonie an VoIP-Dienste abgegeben werden, schätzt die ITU auf der Basis externer Analysen.

Erste Beispiele für Zahlungen eines OTT-"Free-Riders" an einen Netzbetreiber – Google an Orange – für ausgelieferten Traffic könnten sich jedoch als "Präzedenzfall" erweisen. Mit einem Wandel der Strategien in Richtung zur "Zusammenarbeit" beziehungsweise Integration zwischen Netzbetreibern/ISPs und großen Content- und Diensteanbietern werde auch die Frage nach der Netzneutralität virulenter. Die ITU verweist dabei übrigens darauf, dass sie in den gescheiterten Verhandlungen über die neue International Telecommunication Regulations das Thema aufgegriffen habe und will damit wohl auch auf die verpasste Chance weltweiter Minimalstandards in diesem Bereich hinweisen.

Als weitere heiße Eisen, die Regulierer weltweit anpacken müssten, werden in dem Bericht Clouddienste, Spektrumpolitik, Roamingkosten im Mobilfunk und IP-Zusammenschaltung genannt – die beiden letzteren ebenfalls Thema des neuen internationalen Telekommunikationsvertrags ITR. Fragen zum jeweils anwendbaren Recht beziehungsweise Datenschutzfragen zur Cloud müssten ebenfalls adressiert werden. Die ITU gehöre selbst zu den internationalen Foren, die in diesem Bereich aktiv seien.

Die ITU empfiehlt sich mit ihrem Bericht als Gremium für die Diskussion über Standards in der Netzpolitik. Damit tritt sie Überlegungen in einzelnen ihrer Mitgliedsstaaten entgegen, die das Mandat der Organisation eher einschränken, zumindest aber klarer begrenzen wollen. Hierzulande steht laut Ulrich Sandl, Ministerialrat im Bundeswirtschaftsministerium (BMWI), eine Konsultation zur zukünftigen Rolle der ITU an.

Sandl sagte auf einer Veranstaltung zur Netzpolitik in dieser Woche im BMWI, mit dem Wegfall von Aufgaben in der klassischen Telekommunikation sei die ITU auf der Suche nach neuen Betätigungsfeldern und werde dabei von Ländern wie China oder auch von Entwicklungsländern "tatkräftig unterstützt". Durch die Konsultation erhoffe sich das Ministerium Hinweise, welche Ansprüche die Betroffenen hierzulande anmelden. Nach wie vor gehört Deutschland zu den größten ITU-Beitragszahlern. Noch bis zur Plenipotentiary Konferenz der ITU vor drei Jahren hatte Deutschland ebenso wie die USA einen Höchstsatz bezahlt (30 Budget-Einheiten, die Einheiten werden jeweils festgelegt, siehe Resolution 1337 für das laufende Budget). Auf beiden Seiten des Atlantik wird nun offenbar darüber nachgedacht, ob die Beiträge reduziert werden sollen. (anw)