Holprig, zäh und widerwillig – 15 Jahre Strommarktliberalisierung

Als sich die deutschen Strommärkte 1998 öffneten, war die Euphorie groß: Endlich Schluss mit Monopolprofiten und überhöhten Strompreisen. Doch der Wettbewerb kam erst später in Schwung – und die Preise blieben trotzdem hoch.

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Von
  • Peter Lessmann
  • dpa

Es sollte ein großer Einschnitt werden, für die Stromkonzerne, für Verbraucher und Gewerbekunden – die Neuregelung der Strom- und Gasversorgung. Das Beispiel Telekommunikation hatten alle vor Augen, als Bundespräsident Roman Herzog am 24. April 1998 das Energiewirtschaftsgesetz unterzeichnete. Nun würden auch die Strompreise ähnlich wie die Telefongebühren drastisch fallen, glaubten Experten und hofften die Verbraucher. Von Preisrevolution war die Rede und selbst die gescholtenen Stromkonzerne erwarteten an der Preisfront nur noch eine Richtung: "Steil bergab".

Und tatsächlich gaben die Preise bis zum Jahr 2000 nach. Neue Anbieter formierten sich und hofften, den Stromriesen in Deutschland und den mit ihnen verflochtenen Stadtwerken Marktanteile abzujagen. Namen wie Ares, Riva, Ampere und Zeus Strom machten die Runde.

Doch der Start in die schöne neue Welt der Energie war holprig und blieb ein Strohfeuer. Es dauerte nur wenige Monate, und viele Neulinge gingen in die Knie. Sie wurden zahlungsunfähig, verkauft oder verschwanden vom Markt. Nur wenige überlebten: Yello Strom, eine Tochterfirma des Energieriesen EnBW, war darunter und eine Handvoll Ökostromanbieter. Thomas Banning aus dem Vorstand der Naturstrom AG erinnert sich: "In den ersten Jahren der Liberalisierung hatten es die neuen Anbieter äußerst schwer, sich im Markt zu behaupten." Neben Naturstrom waren auch die drei anderen Ökostromanbieter Lichtblick, EWS Schönau und Greenpeace Energy an den Start gegangen. Doch ihre Preise lagen weit über dem Marktniveau und das Kundenwachstum blieb entsprechend überschaubar. Heute kommen alle vier zusammen auf rund eine Million Kunden.

Dass der Marktstart so zäh verlief, hatte einen Grund: Die mächtigen Stromkonzerne waren überhaupt nicht gewillt, sich von den Emporkömmlingen die Butter vom Brot nehmen zu lassen. Dabei verfügten sie über ein scharfes Schwert. Alternativen Versorgern wurde ein preisgünstiger Zugang zu den Stromnetzen verwehrt. Die Großen konnten nach Belieben ihre Preise für die Stromdurchleitung diktieren. Erst auf Druck der EU wurde 2004 eine verändertes Energiewirtschaftsgesetz vorgelegt und eine Aufsichtsbehörde etabliert.

Später trennten sich die Stromriesen ganz oder zum Teil von ihren Höchstspannungsnetzen. Die Bundesnetzagentur erhielt neben Post, Telekommunikation und Eisenbahn auch die Aufgabe, den Energiesektor zu überwachen. Allein im Jahr 2007 kürzte sie die beantragten Netzentgelte um 3 Milliarden Euro. Allmählich fassten die neuen Stromversorger Fuß, darunter auch Stromdiscounter wie Teldafax oder Flexstrom, die schnell Hunderttausende von Kunden an sich zogen. Doch deren Geschäftsmodelle gingen nicht auf und sie schlitterten in die Insolvenz.

"Seit Beginn der Liberalisierung vor 15 Jahren hat sich in Deutschland ein lebhafter Wettbewerb auf dem Energiemarkt entwickelt", zieht die Vorsitzende des Branchenverbandes BDEW, Hildegard Müller, eine Bilanz. Im Durchschnitt haben heute die Haushalte die Wahl zwischen 102 Strom- und 37 Gasversorgern. "Die Ergebnisse des Wettbewerbs in Deutschland können sich sehen lassen, und zwar auch im europäischen Maßstab", sagt Müller.

Aribert Peters vom Bund der Energieverbraucher ist da anderer Ansicht: "Es ist ein Geburtsfehler der Liberalisierung gewesen, dass sich das Gesetz von 1998 an den Interessen der großen Konzerne orientiert hat". Es gebe bis heute keine wirklichen Vorteile für die Verbraucher. Die Preise seien gestiegen und Wechselmöglichkeiten würden nicht genutzt, weil die Versorger mit ihrer Tarifvielfalt die Kunden nur verwirrten.

Tatsächlich zeigt ein Blick auf die Strompreise in den vergangenen 15 Jahren, dass die Marktöffnung keine Berge versetzt hat. Ganz im Gegenteil. Nach Zahlen des BDEW verteuerte sich die Stromrechnung für einen Drei-Personen-Haushalt in dem Zeitraum um 51 Prozent. Von 2000 bis 20012 sind es sogar 86 Prozent.

Unklar bleibt, wer der Kostentreiber ist. Die Energieversorger verweisen auf den Staatsanteil, der sich von 25 Prozent auf inzwischen über 50 Prozent erhöht haben soll. Darin stecken aber auch Umlagen wie die Ökostromabgabe, die in der Stromwirtschaft bleibt. Die Energieriesen, meinen dagegen Verbraucherschützer, seien nach wie vor die Preistreiber. (js)