Regulierung des österreichischen Breitbandmarktes wird halbiert
Der Ex-Monopolist Telekom Austria wird auf dem halben österreichischen Breitband-Großhandelsmarkt von Regulierungsauflagen befreit; in dem von den Regulierern ausgewählten Gebieten (vorwiegend Ballungsräumen) hat die TA durchschnittlich 27% Marktanteil.
Der Ex-Monopolist Telekom Austria (TA) wird auf dem halben österreichischen Breitband-Großhandelsmarkt von Regulierungsauflagen befreit. Der Konzern ist ab 2009 nicht mehr gezwungen, in den Ballungsräumen des Landes seine Breitband-Dienste der Konkurrenz anzubieten. Dies hat die Telekom Control Kommission (TKK) entschieden (Aktenzeichen M1/07 , PDF-Datei]), was von den alternativen Internet-Providern bereits im Vorfeld kritisiert wurde. Sie fürchten eine Re-Monopolisierung durch den Verlust von Kunden, die auf die sogenannten Bitstream-Zugänge der TA angewiesen sind. Die Entbündelung von Teilnehmer-Anschlussleitungen ("letzte Meile") ist von der Entscheidung nicht betroffen und muss von der TA weiterhin bundesweit ermöglicht werden.
Die Regulierungsbehörde hat Österreich in zwei geographisch nicht zusammenhängende Gebiete geteilt. In Gebiet 1 (vorwiegend Ballungsräume) beläuft sich der Breitband-Marktanteil der TA auf durchschnittlich 27 Prozent, in Gebiet 2 (vorwiegend ländliche Regionen) auf durchschnittlich 75 Prozent. Diese Werte berücksichtigen nicht die über 700.000 mobilen Breitbandanschlüsse in Österreich, von denen die Mehrzahl im Netz der TA-Schwestergesellschaft Mobilkom Austria ist.
Im Gebiet 1 stellt die Regulierungsbehörde zum kommenden Jahreswechsel die Regulierung des Breitband-Vorleistungsmarktes (Wholesale) ein. Lediglich eine Quersubventionierung zwischen den Gebieten 1 und 2 bleibt der TA untersagt. Damit können im Gebiet 1 nur mehr Provider ihre Dienste anbieten, die dort über eigene Infrastruktur verfügen, im Wesentlichen also nur Entbündler, TV-Kabelgesellschaften und Betreiber funkgestützter Anlagen. Im Gebiet 1 befinden sich 54 Prozent aller österreichischen Breitbandanschlüsse (ohne Mobilfunk aber inklusive WLAN und WLL gerechnet) und 47 Prozent aller Haushalte. Wie viele Unternehmen in diesem Gebiet ihren Sitz haben, konnte die Behörde nicht angeben. In das Gebiet 1 wurden alle Einzugsgebiete von Hauptverteilern der TA einbezogen, in denen der Marktführer weniger als 50 Prozent Marktanteil hat und ihm bei zumindest 65 Prozent aller Haushalte wenigstens zwei "große" Wettbewerber gegenüberstehen. Außerdem müssen im Bereich dieser Hauptverteiler mehr als 2.500 Haushalte angesiedelt sein.
"Wir können nicht Regulierung forever machen", begründete Georg Serentschy, Geschäftsführer der Rundfunk- und Telekom Regulierungs-GmbH, die die Geschäftsstelle der TKK ist, den Umbruch der bisherigen Regulierungspraxis. Regulierung sei eine begleitende, zeitlich begrenzte Maßnahme, die es aufzuheben gelte, wenn nachhaltiger Wettbewerb herrsche. Dies erachten RTR und TKK in den Ballungsräumen als gegeben.
Das der Entscheidung zugrunde liegende Verfahren war das erste, in dem alternative Telecomunternehmen Parteistellung eingeräumt wurde. Dies hat die Behörde jedoch nicht freiwillig getan, vielmehr musste sie sich einer höchstgerichtlichen Entscheidung beugen. Die alternativen Anbieter hatten seit Jahren wiederholt Parteistellung und die damit verbundenen Rechte eingefordert. In dem bereits im Vorjahr begonnen Verfahren M1/07 hatten die rund 530 Marktteilnehmer ab Ende März erstmals die Gelegenheit, sich zu beteiligen. Zum Verfahrensende waren davon noch 38 Parteien übrig. An den wesentlichen Elementen des Bescheides hat sich dadurch aber nichts verändert.
Einige Unternehmen waren von der Führung des Verfahrens durch die Behörde enttäuscht. So wurde etwa bemängelt, dass ihnen für die Bearbeitung von über 400 Seiten Aktenmaterial nur zwei Wochen Zeit gegeben wurde, was selbst nach einem entsprechenden Antrag nur um eine weitere Woche verlängert wurde. Kleine Firmen ohne Rechtsabteilung sahen sich damit überfordert. Eine Betroffene, die HEDAB Verwaltungsgmbh, hat daher eine Amtshaftungsklage gegen die Republik Österreich eingebracht. Die RTR weist die Vorwürfe zurück und darauf hin, dass Akteneinsicht in der Wiener Geschäftsstelle schon früher möglich gewesen sei.
Da kein alternativer Anbieter ganz Österreich entbündelt hat, ist der Bitstream-Zugang zum Netz der TA oft Voraussetzung dafür, lukrative Businesskunden gewinnen zu können. Denn Geschäftskunden möchten meist an allen Standorten mit demselben Provider arbeiten und nicht auf unterschiedliche Verträge und Rechnungen angewiesen sein. Die alternativen Anbieter fürchten daher nun, Businesskunden an die TA zu verlieren, die in Zukunft als Einzige in ganz Österreich Breitbandzugänge über Festnetzleitungen anbieten kann.
Die TA hat angekündigt, noch für sechs Monate neue Großhandelsverträge auch in Gebiet 1 abzuschließen und bestehende Großhandelsverträge nicht zu kündigen. Angesichts des zu erwartenden Preisverfalls ist der Wert alter Großhandelsverträge allerdings begrenzt. Außerdem wird die TA berechtigt sein, trotz der gegebenen Zusicherung die Internetzugänge jederzeit zu kündigen. Daher gelten Beschwerden gegen den gestern ergangenen Bescheid bei Verwaltungs- und Verfassungsgerichtshof als sicher. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)