Julian Assange will neues Kryptosystem entwickeln

Öffentlich überprüfbare Schlüssel sollen sicherstellen, dass es sich jeweils um ein Originaldokument handele.

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Von
  • Detlef Borchers

Der Wikileaks-Gründer Julian Assange hat nach eigener Aussage ein neues Projekt gestartet. In einem ausschnittsweise in der Zeit veröffentlichten Interview mit dem französischen Philosophen Alexandre Lacroix erklärte Assange, dass er an einem Kryptosystem auf der Basis von Zertifikaten arbeite, das Dokumente signiert. Die öffentlich überprüfbaren Schlüssel sollen sicherstellen, dass es sich jeweils um ein Originaldokument handele.

In der Darstellung von Assange ist das Internet ein System, das von fremden Mächten beherrscht wird, von Staaten wie den USA, die fortlaufend ganze Informationssammlungen verschwinden ließen und von kalifornischen Firmen, die Informationen als Ware verkauften. Das Internet sei immens gefährdet, von einem Moment zum anderen zu zerbröseln. Daher müsse sein Projekt jetzt eine andere Aufgabe schultern: "Wir müssen uns gegen die Kontrolle und Speicherung von Wissen wehren."

Assange, der im Interview nicht technisch werden wollte, sieht Wikileaks offenbar als eine Art Root-Instanz für die Herausgabe neuer Schlüssel, womöglich mit einem eigenen Kryptoverfahren. Die bisherigen Verfahren, Web-Informationen via https über Schlüssel zu prüfen, die im Browser verankert sind, erklärte Assange für gescheitert und von Geheimdiensten unterwandert. Die rund 60 Firmen, die Zertifikate austellten, seien samt und sonders korrupt.

Über Mitarbeiter, Dauer und Finanzierung seines neuen Groß-Projektes machte Assange keine Angaben. Auch finden sich im Interview keine Angaben darüber, welche Algorithmen verwendet werden sollen. Offenbar setzt Assange auf nicht-amerikanische Technik, weil seiner Ansicht nach in den USA alles vom CIA unterwandert wird. Den US-amerikanischen Wissenschaftlern stellte er ein vernichtendes Zeugnis aus: Sie seien eine Schande für das Land und geistig zu bankrott, um etwa eine moralische Führungsrolle bei Occupy zu übernehmen.

Gefragt, wo er sich selbst in zehn Jahren sieht, deutete Assange eine Welt an, die die Leaks von Wikileaks in deutlich milderem Licht sieht. Sie werde die Rolle von Wikileaks bei der Aufdeckung von Kriegsverbrechen im Irak und Afghanistan würdigen, die Rolle von Cablegate, das den Arabischen Frühling vorbereitete und den Part anerkennen, den Wikileaks beim Sturz von Diktatoren wie Mubarak, Ben Ali und Gaddafi gespielt habe, in dem es die Legitimität der Diktaturen in Frage gestellt habe. In einer anderen Welt werde er wahrscheinlich irgendwo eingesperrt sein, erklärte Assange.

Die Bekanntgabe eines neuen Projektes kommt zu einem günstigen Zeitpunkt. Wie Wikileaks am Mittwoch in einem Tweet erklärte, hat der oberste isländische Gerichtshof entschieden, dass der isländische Finanzdienstleister Valitor es dem isländisch-schweizerischen Internet-Dienstleister DataCell gestatten muss, Spenden für Wikileaks entgegen zu nehmen. Damit bestätigte der Gerichtshof die Entscheidung eines Bezirksgerichtes vom vergangenen Jahr. Nach Angaben von Wikileaks muss Valitor innerhalb von 15 Tagen eine Spendenmöglichkeit einrichten, andernfalls drohten Strafzahlungen von rund 5000 Euro täglich. Weitere von DataCell angestrengte Verfahren in Dänemark und vor dem europäischen Gerichtshof sind noch nicht abgeschlossen. Seit Dezember 2012 kann für Wikileaks über eine spezielle Website der Freedom of the Press Foundation gespendet werden. (anw)