Zahl der Kontenabfragen im Jahr 2007 auf fast 100.000 gestiegen

Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sind die Zugriffe auf Bankkonten der Bundesbürger für die Steuerfahndung und die Strafverfolgung im vergangenen Jahr um 15 Prozent im Vergleich zu 2006 nach oben geklettert.

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Laut der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sind die Abrufe von Bankkonten der Bundesbürger für die Steuerfahndung und die Strafverfolgung im vergangenen Jahr um 15 Prozent im Vergleich zu 2006 nach oben geklettert. In insgesamt 93.560 Fällen sollen Behörden die Kontostammdaten abgefragt haben, berichtet die Tageszeitung Die Welt. Laut Branchenexperten stehen hinter dieser Zahl insgesamt rund 200 Millionen Zugriffe auf Datenbanken der Kreditinstitute, da jede Einzelabfrage etwa anhand eines Namen und der Adresse eines Verdächtigen eine Art Rasterfahndung in den Systemen auslösen und virtuell alle rund 2000 Banken hierzulande nach passenden Kontoverbindungen suchen müssten.

Sehr häufig nahmen dem Bericht zufolge Staatsanwaltschaften Einblick in die Geldgeschäfte. Sie sollen in 18.002 Fällen Kontendaten abgerufen haben. Das sei ein Anstieg um etwa 40 Prozent. Insgesamt sollen sich aber wie im Vorjahr die Polizeibehörden am stärksten über Kontenbewegungen informiert haben. Sie steigerten ihre Abfragen um 13 Prozent auf 54.111. Auch die Finanzbehörden legte bei der Verfolgung von Steuerhinterziehungen um gut zehn Prozent zu und rief die Stammdaten in 13.061 Fällen ab.

In der Wirtschaft häufen sich derweil die Beschwerden über Ausmaß und Kosten der Abfragen. Was der Gesetzgeber seit April 2005 genehmigt hat, entspricht nach Ansicht von Walter Weinkauf, dem Präsident des Genossenschaftsverbands Frankfurt, nicht nur der "faktischen Abschaffung des Bankgeheimnisses". Er spricht auch von einem "Konjunkturprogramm für das Kleinwalsertal", da im benachbarten Österreich Kontodaten nicht an andere EU-Länder weitergegeben werden. Die Banken hierzulande würden "zum unbezahlten Dienstleister für den Staat gemacht", kritisiert Weinkauf weiter. Am Ende habe der Kunde dafür die Rechnung zu zahlen. In der Branche schätzt man, dass allein der Aufbau der nötigen Systeme zum automatischen und heimlichen Zugriff rund 300 Millionen Euro erfordert haben. Der Aufwand für den laufenden Betrieb ist noch nicht einberechnet.

Besonders besorgt zeigt sich Weinkauf, da die Kapazitäten bis März anfangs 2000 auf bis zu 10.000 Kontenabfragen pro Tag ausgebaut werden soll. Der Genossenschaftschef plädiert stattdessen ein transparentes Steuerrecht: "Die volkswirtschaftlich interessanteste Vermeidung von Steuerhinterziehung ist die Steuervereinfachung, nicht die sehr teure Totalüberwachung."

Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene Verfahren im Sommer vergangenen Jahres größtenteils für rechtmäßig erklärt. Nach Ansicht der Karlsruher Richter entspricht die gesetzliche Grundlage insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, soweit der Anwendungsbereich in verfassungsgemäßer Weise auf die Sicherung der Erhebung von Sozialabgaben und die Bekämpfung des Missbrauchs von Sozialleistungen begrenzt wird. Nachbesserungsbedarf gebe es aber noch an einer Norm, welche die Erhebung von Kontostammdaten in sozialrechtlichen Angelegenheiten regelt.

Ermittler erhalten mit dem Mechanismus zwar nicht direkt Einblicke in Kontostände oder Geldbewegungen. Haben sie aber erst mal die Kontenstammdaten und einen wie auch immer begründeten Anfangsverdacht, können sie aber ebenfalls dazu noch Daten anfordern. Der rasche Anstieg der Zugriffe hängt Experten zufolge damit zusammen, dass die Fahnder von diesen weiteren Befugnissen just auch tatsächlich Gebrauch machen und der Bankkunde längst komplett gläsern ist. Die Möglichkeiten, sich dagegen juristisch zu wehren, sind eingeschränkt. Wie das Finanzgericht Düsseldorf in einem aktuellen Urteil vom 25. April 2007 entschied, ist gegen den heimlichen Abruf direkt keine Klagemöglichkeit gegeben. Erst eigene Auskunftsersuchen oder Steuerbescheide ermöglichen eine indirekte Anfechtung der Beschnüffelung. (Stefan Krempl) / (jk)