Wiener Gericht: Handynutzerin muss im Inland keine Roamingspesen zahlen

Obwohl er sich nur in Österreich aufhielt, telefonierte der Sohn der Beklagten dennoch ohne es zu ahnen in einem ungarischen Mobilfunknetz. Ein redlicher Nutzer müsse nicht damit rechnen, im Inland zum Auslandstarif zu telefonieren, meinte das Gericht.

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Das Bezirksgericht Wien Donaustadt hat eine Klage des Mobilfunknetzbetreibers One (Orange) gegen eine ehemalige Kundin abgewiesen, die keine Roaminggebühren für im Inland geführte Gespräche bezahlen wollte. Das Urteil (33 C 579/07 f) dürfte rechtskräftig werden, da One kein Rechtsmittel einlegen wird. Auch die sofortige Kündigung der Kundin, nachdem One alle ihre Anschlüsse abgeschaltet hatte, war rechtmäßig. Die Berechnung von Grundgebühren für den Rest der 24-monatigen Mindestvertragsdauer war daher ebenso rechtswidrig, wie die Veranschlagung von Mahn- und Rücklastspesen.

Eine Wienerin hatte bei One zwei Sprachanschlüsse und einen mobilen Breitbandanschluss. Ihr minderjähriger Sohn nahm eines der Handys im Mai 2007 mit auf eine fünftägige Schulveranstaltung im Burgenland in Grenznähe. Obwohl er sich nur in Österreich aufhielt, telefonierte er dennoch ohne es zu ahnen in einem ungarischen Mobilfunknetz. Dafür stellte One über 320 Euro in Rechnung, die sich die Mutter zu zahlen weigerte. Sie erhob Einspruch gegen die Rechnungen, was von One im Juni 2007 zurückgewiesen wurde.

Bereits einen Tag später drehte One der Familie alle drei Mobilfunkanschlüsse ab, obwohl die Frau die unstrittigen Beträge gezahlt hatte. Daraufhin riss der Dame die Geduld und sie erklärte schriftlich ihren Rücktritt von allen drei Verträgen und gab die gebrauchten Endgeräte zurück. Als Reaktion sprach One seinerseits eine Kündigung aus und stellte alle Grundgebühren bis zum Ablauf der 24-monatigen Mindestvertragsdauer in Rechnung. Nachdem die Kundin nicht zahlte, klagte One den Gesamtbetrag von über 1.500 Euro zuzüglich Zinsen, Mahnspesen und Rücklastspesen ein.

Doch das Gericht konnte dem Ansinnen des Netzbetreibers nicht viel abgewinnen. Da die Frau mit Erlagschein bezahlt hatte, waren Rücklastspesen nicht anwendbar. Die Mahnspesen waren bereits vor Fälligkeit der Forderung in Rechnung gestellt worden, was rechtswidrig ist. Auch auf die Grundgebühren für die restliche Vertragslaufzeit hat One keinen Anspruch, da die Kundin nicht grundlos gekündigt hat. Vielmehr hat One mit der Einstellung der Dienstleistung den Anlass für den Vertragsrücktritt gegeben, weil es sich dabei selbst vertragswidrig verhalten hatte. Denn die Sperre der Anschlüsse darf frühestens zwei Wochen nach Fälligkeit erfolgen und nicht schon einen Tag nach der durch Zugang der Zurückweisung des Rechnungseinspruches ausgelösten Fälligkeit.

Die letzte, noch offene Rechnung muss ebenfalls nicht beglichen werden, da der Netzbetreiber nicht nachweisen konnte, welcher Teil davon auf den Zeitraum vor beziehungsweise nach dem Vertragsrücktritt entfallen ist.

Auch im Anlassfall der umstrittenen Roaminggebühren gab das Gericht der Konsumentin Recht. "Ein redlicher Nutzer eines Mobilfunktelefons muss damit rechnen, im Ausland zu einem erhöhten Tarif zu telefonieren, nicht jedoch damit im Inland zum Auslandstarif zu telefonieren", heißt es in der Urteilsbegründung. Der abgeschlossene Vertrag beinhalte "nicht zugleich die Willenserklärung im Inland einen Vertrag mit einem Roamingpartner im Ausland abschließen zu wollen."

Der Sohn der Klägerin hatte keine Informations-SMS erhalten und keine Hinweise auf Auslandsroaming auf dem Display wahrgenommen. Gerald Gries, Anwalt der obsiegenden Ex-Kundin, glaubt, dass das Gericht aber genauso entschieden hätte, wenn der Nutzer ein Info-SMS erhalten hätte – denn diese Information bekomme man nur einmal in einem langen Zeitraum und nicht bei jeder Nutzung.

Das Urteil ist selbst bei erlangter Rechtskraft für andere Gerichte nicht bindend. Durch die Akzeptanz des erstinstanzlichen Richterspruchs vermeidet One eine höchstgerichtliche Entscheidung. (Daniel AJ Sokolov) / (jk)