EU-Kommission will Einnahmemöglichkeiten bei LKW-Maut erweitern

LKW sollen künftig stärker mit den umweltbezogenen Kosten belastet werden, die sie verursachen. Außerdem drängt die Komission auf eine technische Vereinheitlichung der europäischen Mautsysteme.

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Von
  • Detlef Borchers

EU-Verkehrskommissar Antonio Tajani hat in Brüssel ein "grünes Transportpaket" vorgestellt. Wie erwartet enthält das Paket den Vorschlag, LKW stärker mit den umweltbezogenen Kosten zu belasten, die sie verursachen. Außerdem drängt die Komission auf eine technische Vereinheitlichung der europäischen Mautsysteme. Stimmen Parlament und Rat zu, kann die Gesetzesnovelle zum LKW-Verkehr bereits 2010 in Kraft treten.

Die beiden wichtigsten inhaltlichen Änderungen des grünen Transportpaketes weiten die Einnahmemöglichkeiten für alle Staaten aus, die elektronisch Mautgebühren erheben, also nicht mit einer Eurovignette. Danach müssen alle LKW ab 3,5 Tonnen eine Straßenverkehrsmaut zahlen, in Deutschland liegt die Grenze bisher bei 12 Tonnen. Außerdem soll die Maut für das gesamte Straßennetz eines Landes erhoben werden, nicht nur für die Autobahnnutzung. Mautzuschläge bei "instabilem Verkehrsfluss" und Stau in Höhe von bis zu 65 Cent pro Kilometer sollen dem stauverursachenden LKW-Verkehr in Spitzenzeiten abgenommen werden können, außerdem sollen Zuschläge für Naturschutzgebiete (berechnet nach Bevölkerungsdichte, Aufschläge zwischen 2 und 16 Cent/km) und besonders lärmende Fahrzeuge (Aufschläge zwischen 0,1 und 2 Cent/km) berechnet werden können.

Die wichtigste finanzielle Änderung ist die strikte Zweckbindung der Maut an Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur, in der die Maut erhoben wird. Eine Querfinanzierung der Bahn soll den EU-Mitgliedsstaaten ausdrücklich untersagt werden, ebenso sollen die Mauteinnahmen nicht – wie etwa in Deutschland – in den allgemeinen Staatshaushalt fließen dürfen. Die vorgestellte Gesetznovelle ändert auch den Status der Mautverordnungen: EU-Staaten können sich frei entscheiden, eine LKW-Maut zu erheben oder nicht, aber wenn sie eine Maut kassieren, muss diese nach EU-Vorgaben berechnet und erhoben werden.

Die größten Änderungen des "grünen Transportpaketes" stecken jedoch in den technischen Details der angestrebten Vereinheitlichung. Mautsysteme, die wie das deutsche System auf Autobahnen und einige ausgewählte Bundesstraßen ausgerichtet sind, müssen um das gesamte Fernstraßennetz erweitert werden. Außerdem wird ein Stopp der Fahrzeuge an Mautstellen aller Art untersagt: Entweder wird die Maut während der Fahrt von einer On-Board-Unit (OBU) errechnet oder sie wird vor Fahrtantritt etwa via Internet beglichen. Im deutschen System würden damit die Mautterminals überflüssig, die in Tankstellen und Raststätten installiert wurden.

Noch gravierendere Konsequenzen dürfte die weitere Verschärfung der EU-Mautrichtlinie 2004/52 haben, die im neuen Ökopaket weiter konkretisiert wird. Die technische Interoperabilität aller Mautsysteme soll so weit getrieben werden, dass die LKW mit einer einzigen OBU alle EU-Länder befahren können. Sind die Systeme unterschiedlich ausgelegt, müssen sie dennoch so eng verwandt sein, dass eine OBU beim Grenzübertritt das jeweilige Mautsystem "booten" kann, wie ein Computer verschiedene Betriebssysteme starten kann.

Das "grüne Transportpaket", das auch Bestimmungen zu Lärmemissionen und Umweltkosten des Schienenverkehrs enthält, wird von heftiger Kritik begleitet. Als "weltfremd und praxisfern" charakterisierte sie der Verband der Automobilindustrie. Die Vorschläge würden nicht in die derzeitige gesamtwirtschaftliche und politische Lage passen. Der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik (BGL) spricht in seiner Stellungnahme von einem breitgefächerten Existenzvernichtungsprogramm durch den europäischen Ökosozialismus.

Bayerns Verkehrsministerin Emilia Müller mahnte ein maßvolles Vorgehen bei der Erhöhung der Kosten an. Bayern werde untragbaren Belastungen seiner Spediteure nicht zustimmen, erklärte Müller. Kritik übte auch der verkehrspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Patrick Döring. Eine moderne arbeitsteilige Wirtschaft sei effizienter und umweltfreundlicher als eine Wirtschaft, in der an vielen Orten Kleinstmengen von Waren produziert würden. Wer eine solche Maut propagiere, wolle offenbar zurück zum regionalen Tauschgeschäft. Dagegen stimmten die Eisenbahnverbände dem "grünen Transportpaket" zu, kritisierten aber, dass die Kosten von CO2-Emissionen und von Unfällen nicht ausreichend in den Mautgebühren abgebildet werden. (Detlef Borchers) / (anw)