Flatrate-Kappung: Bundesnetzagentur prüft Tarif-Modell der Telekom

Die Debatte um die Netzneutralität bei der Telekom-Drossel geht weiter: Der Regulierer prüft, ob "regulatorisches Handeln" erforderlich sei, um Transparenz und Netzneutralität zu wahren. Auch Bestandskunden können von der Flatrate-Kappung betroffen sein.

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Von
  • Jürgen Kuri

Die Bundesnetzagentur prüft das geplante Tarif-Modell der Telekom bereits mit Blick auf die Netzneutralität. Die Telekom will ab 2. Mai Obergrenzen für den monatlichen Datenverkehr bei Festnetz-Flatrates in ihren Verträgen festhalten – wird diese überschritten, kann der Konzern die Geschwindigkeit drosseln. Die Tempo-Bremse soll nach derzeitigen Planungen ab 2016 auch technisch umgesetzt werden. Die Bundesnetzagentur untersucht nun, ob "regulatorisches Handeln" erforderlich sei, um Transparenz und Netzneutralität zu wahren, sagte ein Sprecher dem Trierischen Volksfreund. "Da wir weiteren Klärungsbedarf sehen, haben auch wir uns an das Unternehmen gewandt."

Telekom-Chef René Obermann hatte bereits die Kritik zurückgewiesen, mit der Flatrate-Koppelung und dem Ausschluss eigener Dienste wie dem IPTV-Angebot Entertain und Telekom-VoIP oder etwa dem Angebot von Partnern wie dem Musikstreamingdienst Spotify von den maximalen Datenvolumen werde die Netzneutralität verletzt. Begriffe wie Netzneutralität würden missbraucht, um "einen Flatrate-Anspruch auf unbegrenztes Datenvolumen im Internet zu zementieren". Angesichts der immer höheren Auslastung der Netze werde das aber nicht funktionieren – "jedenfalls nicht, solange die nötigen Milliardeninvestitionen und der Betrieb der Netze privatwirtschaftlich zu erbringen sind".

Der Streit um die Kosten des Breitbandausbaus zwischen Politik und Telekom-Branche schwelt seit Jahren. Die Carrier fordern, dass ihre Branche weniger streng reguliert wird. Doch sie stießen damit immer wieder auf taube Ohren. Die Telekom konnte sich nicht mit ihrer Absicht durchsetzen, ihr Glasfasernetz, das als Backbone für die VDSL-Anschlüsse dient, in den ersten Jahren für sich zu behalten, um "Pioniergewinne" einzustreichen. Zuletzt bekam sie weniger Geld als erhofft für die Durchleitung von Daten anderer Anbieter über die letzte Meile zum Kunden-Anschluss. Die Wettbewerber verweisen darauf, dass der einstige Monopolist auf eine einst noch vom Steuerzahler finanzierte Infrastruktur zurückgreifen kann.

Über den Streit um notwendige Investitionen und ihre Refinanzierung hinaus bedeutet die Flatrate-Kappung auch den Einstieg in den Umbau der Telekom in einen Universaldienstleister für Infrastruktur und Inhalte, da mit der Drosselung die Förderung oder gar Priorisierung der eigenen Dienste und der Angebote von Partnern verbunden ist. Damit ist ein Angriff auf die Netzneutralität verbunden, die bislang den unterschiedslosen Transport aller Daten nach dem Best-Effort-Prinzip gewährleistete.

Telekom-eigene Internetdienste wie Videoload oder die Telekom-Cloud würden auf die Datenmenge angerechnet, stellte Obermann dagegen klar. Das Telekom-IPTV-Angebot Entertain sei kein typischer Internet-Dienst, sondern eine von den Landesmedienanstalten durchregulierte separate Fernseh- und Medienplattform, für die die Kunden ein zusätzliches Entgelt bezahlten. Entertain sei damit eine Ausnahme, weil es ein "managed service" sei, bei dem der Konzern die Qualität garantiere. "Entertain ist ein unterschiedlicher Datenstrom auf der gleichen Leitung und deshalb ein managed service und kein regulärer Internetverkehr", betonte ein Telekom-Sprecher. Reguläre Internetdienste würden diskriminierungsfrei behandelt.

Allerdings sind solche "managed services", die die herkömmlichen Datenströme ersetzen, das Ziel von Carriern wie der Telekom, das sie mit den sogenannten Next Generation Networks (NGN) und ihrem IP Multimedia Subsystem erreichen wollen. Auf IP-Basis wird das Netz damit zu einer Ansammlung von "managed services". Diese stünden dann unter der Kontrolle der Carrier beziehungsweise Provider – und zur weiteren Monetarisierung zur Verfügung. Jeder Traffic-Typ, ob es sich nun beispielsweise um Datenverkehr zu Webseiten, Musikstreaming oder Videotransfers handelt, ist dann jeweils nur eine bestimmte Ausprägung eines "managed service" im NGN. Von einem Best-Effort-Netz wie dem Internet, in dem alle Daten unterschiedlos auf dem bestmöglichen Weg transportiert werden, sind solche Next Generation Networks weit entfernt – und die Argumentation, Entertain sei ein spezieller Dienst, der mit dem Internet nichts zu tun habe, wäre hinfällig.

Weitere Kritik handelt sich die Telekom mit der Angabe ein, nur Neukunden wären von der Umstellung der AGB auf die Tarife mit Flatrate-Kappung betroffen. Richtig ist, dass bei einer automatischen Vertragsverlängerung Telekom-Kunden keine Drosselung ihres DSL-Anschlusses befürchten müssen. Flatrate-Verträge verlängern sich in der Regel von alleine, wenn der Kunde nicht bis zu einem bestimmten Zeitpunkt kündigt. Wechselt er allerdings mit Ablauf des Vertrags in einen neuen Tarif, zum Beispiel weil er dort weniger zahlen muss, wird es komplizierter: Denn das gilt als neuer Vertrag.

"In diesem Zusammenhang könnten dann auch neue Bedingungen eingeführt werden", sagt Thomas Bradler von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Verbraucher sollten die Konditionen auf jeden Fall genau prüfen." Und das vor allem dann, wenn sie von einem Vertrag mit DSL plus Analog- oder ISDN-Anschluss auf einen IP-basierten Anschluss umsteigen, der DSL mit VoIP kombiniert. Auch dies gilt als Vertragswechsel – und zwar offensichtlich auch dann, wenn die Telekom ihre alten Analog- und ISDN-Verträge auslaufen lässt und die Kunden auf IP-basierte Anschlüsse umstellt (siehe dazu auch den Beitrag im Pottblog). Dieser Prozess soll bis 2016 abgeschlossen sein – dann, wenn auch die neuen Volumen-Grenzen nach den bisherigen Aussagen der Telekom technisch durchgesetzt werden.

Siehe dazu auch:

(mit Material von dpa) / (jk)