Unternehmer kritisieren Pläne für EU-Patentgericht scharf

Die Initiative patentfrei.de bemängelt, dass mit dem Vorstoß der portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft für eine einheitliche Patentgerichtsbarkeit Patentanwälte Einfluss auf die Rechtsprechung bekommen könnten.

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Die Mittelstandsinitiative patentfrei.de bemängelt in einer aktuellen Stellungnahme (PDF-Datei) den Vorstoß der Anfang des Jahres ausgelaufenen portugiesischen EU-Ratspräsidentschaft für eine einheitliche europäische Patentgerichtsbarkeit. Mit dem Beitrag zur "Vertiefung" des Patentsystems, die der EU-Kommission in einem noch weiter gehenden Projekt vorschwebt, könnten demnach unter anderem Patentanwälte Einfluss auf die Rechtsprechung bekommen. Das portugiesische Papier schlage einen "beratenden Ausschuss" vor, dessen Mitglieder unter den "erfahrensten Patentrichtern oder Patentanwälten" vom Ministerrat ausgewählt werden sollen.

Auf diesem Weg könnte laut der Unternehmervereinigung eine Lobbygruppe mitreden, deren Einbindung gerade bei Verfahren zu Softwarepatenten in hohem Maße problematisch sei. Patentanwälte mit dem Spezialgebiet Computerprogramme hätten schließlich "ein existenzielles Eigeninteresse daran, dass Softwarelösungen rechtlich als generell patentierbar eingestuft werden". Dies würde ihnen erhebliche Einkünfte sichern. Auch den bereits vielfach eingebrachten Einwand, dass ehemalige Mitarbeiter des Europäischen Patentamtes (EPA) gemäß dem Vorschlag als Richter vorgesehen sind, führt die Eingabe mit auf. Es sei nahe liegend, dass diese Juristen dann eine grundsätzliche wohlwollende Haltung gegenüber der weiten, auch Schutzansprüche auf "computerimplementierte Erfindungen" einschließenden Vergabepraxis des EPA an den Tag legen würden.

Im Szenario der Portugiesen fehlt laut patentfrei.de ferner eine allgemeine gerichtliche Instanz, die das Patentsystem im Lichte des volkswirtschaftliche Allgemeininteresse sehen und die Vereinbarkeit mit dem Grundrechtssystem sicherstellen würde. Nach dem nun von der derzeitigen slowenischen Ratspräsidentschaft weiter zu verfolgendem Bericht solle der Europäische Gerichtshof (EuGH) nur in Fragen zum Gemeinschaftsrecht angerufen werden können. Er würde damit etwa bei materiellrechtlichen Beurteilungen oder beim Festlegen von Kriterien der angemessenen Schadensersatzansprüche keine Rolle und könne so nicht als Berufungsinstanz angesehen werden. Es wäre nicht möglich, "eine fehlgeleitete Patenterteilungs- und Rechtsprechpraxis" zu korrigieren.

Die "Unternehmer gegen Softwarepatentierung" weisen darauf hin, dass Entscheidungen einer europäischen Patentgerichtsbarkeit eine ungleich größere Reichweite hätten als die bisherige nationale Rechtsprechung. Generell dürfe die angestrebte Zentralisierung nicht dazu führen, "dass die einseitig den Patentinhabern zu Gute kommende Tendenz zur immer weiteren Ausdehnung des Patentwesens gefördert oder gar beschleunigt wird". Die Rechtsfortbildung eines europäischen Höchstgerichts kann der Stellungnahme zufolge die Aufgabe der Politik nicht ersetzen, einen möglichst eindeutigen gesetzlichen Rahmen zu schaffen. Zu den Aufgaben der Politik gehöre daher "die unmissverständliche Konkretisierung des materiellen Ausschlusses von Computerprogrammen von der Patentierbarkeit". Dazu kommen müsste eine Verpflichtung des EPA, seine Patenterteilungspraxis in Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen zu bringen.

Diese und weitere Fragen der Reform des Patentwesens wollen Vertreter von patentfrei.de am 8. Februar in Hamburg erörtern. Eingeladen zu der Veranstaltung unter dem Motto "Patentsystem, quo vadis?" haben der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), der Berufsverband Selbständige in der Informatik (BVSI) und der patentverein. (Stefan Krempl) / (jk)