Debian 7.0 Wheezy im Kurztest [Update]

Rund 27 Monate hat die Fertigstellung von Debian 7.0 alias Wheezy gedauert. Das Ergebnis ist ein aufgeräumtes und in vielen Details verbessertes Debian, aber keine Revolution.

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Debian 7 ist fertig. Für die Entwicklung haben die Debianer rund zwei Jahre und drei Monate benötigt, nur wenig länger als für die Entwicklung der Vorgängerversion. Heraus gekommen ist ein Debian, das in vielen Details verbessert wurde und sich in einer neuen, aufgeräumten Optik präsentiert.

Der neue Look von Debian 7 zeigt sich schon beim grafischen Bootscreen. Mit dem Sprachsynthesizer gibt es nun einen dritten Installationsmodus, bei dem alle Dialoge vorgelesen werden.

Namenspatron für das neue Debian ist Wheezy, der Pinguin aus dem Film Toy Story 2. Dazu passt auch das neue Aussehen von Debian 7. Schon der grafische Hintergrund des Bootmenüs ist nicht mehr bunt, sondern schlicht in schwarz, weiß und Grautönen gehalten. Auch auf dem Desktop gibt es nur sehr wenige Farbakzente, was der Oberfläche ein modernes, geschmackvolles Aussehen verleiht.

Das Bootmenü der Debian-Installations-DVD lässt dem Anwender wie üblich die Wahl zwischen dem Textmodus-Installer und dem grafischen Installer. Abgesehen vom Artwork gab es beim grafischen Installer keine sichtbaren Veränderungen – aber auch keine Verbesserungen. Noch immer ist es das Dialogprogramm des Textmodus-Installers, das den Umfang der Dialoge im grafischen Installer einschränkt. So muss man noch immer Namen, Benutzernamen und Passwort des Standard-Benutzers in drei getrennten Schritten hintereinander eingeben. Übersichtlich und komfortabel ist das nicht, es erfüllt aber seinen Zweck.

Bei Debian 7 gibt es außerdem einen neuen Installationsmodus mit Sprachausgabe. Damit wollen die Debianer es vor allem blinden Anwendern leichter machen, Debian 7 zu installieren. Die Aktivierung ist pfiffig gelöst: Im Bootmenü genügt es, die Taste S und Enter zu drücken, damit der neue Sprach-Installer startet. Das bekommen Blinde auch ohne fremde Hilfe oder Braille-Zeile hin.

Die Installationsdialoge des Sprach-Installers bestehen aus Textpassagen und Eingabe-Prompts und werden von einer ziemlich blechernen Männerstimme vorgelesen. Die Standardsprache ist Englisch, über 40 weitere Sprachen stehen zur Auswahl. Auf Deutsch umgestellt klingen die Dialoge ein wenig wie von einem Kaugummi-kauenden Amerikaner gesprochen und sind nicht immer gut zu verstehen. Auch deshalb, weil zum Beispiel Klammern nicht mit vorgelesen werden und so mitunter englische Worte mitten in einem deutschen Satz auftauchen. Auch kann der Vorleser kaum mit den umfangreichen Bildschirmausgaben Schritt halten. Das ganze verträgt noch etwas Feinschliff, ist aber benutzbar.

Weitere Änderungen des Debian Installers fanden vor allem unter der Haube statt. So haben die Debian-Entwickler viel Zeit in die Unterstützung von neuen Rechnern mit UEFI-Firmware gesteckt und dabei auch Secure Boot berücksichtigt, damit Debian 7 parallel neben Windows 8 auf der gleichen Festplatte installiert werden kann. Bei den Vorab-Versionen des neuen Debians gelang es ihnen allerdings nicht, alle Probleme abschließend zu lösen – ob die Secure-Boot-Unterstützung beim jetzt veröffentlichten Release wirklich stabil ist, müssen Nachtests zeigen.

Der Standard-Desktop von Debian 7 ist nun Gnome 3 mit Gnome Shell. Mit dem schwarz-weiß-grauen Farbthema wirkt der Desktop sehr modern und weniger verspielt als früher.

Auch der Desktop, Standard bei Debian 7 ist Gnome 3.4, hat ein neues Artwork erhalten und präsentiert sich jetzt in ruhigen Schwarz-, Weiß- und Grautönen. Dazu passt auch das Desktop-Theme, kunterbunt war früher. Wer Gnome mit Gnome Shell nicht mag, kann auf eines der alternativen Installationsmedien für KDE 4.8.4, LXDE 0.5, Xfce 4.8 oder die NetInst-Variante ohne grafischen Desktop zurückgreifen.

Große Überaschungen hält Debian 7 nicht bereit, meist wurden Softwarepakete nur aktualisiert. Der Kernel wurde zum Beispiel auf Version 3.2.41 aktualisiert, neuere Kernel kamen für die Integration in Wheezy zu spät. Auch bei Samba haben sich die Debianer für die erprobte Version 3.6 entschieden, der Wechsel auf Samba 4 ist damit auf die nächste Version mit Codenamen Jessie vertagt. Für die grafische Oberfläche kommt nun X.Org 7.7 und als Compiler GCC 4.7 zum Einsatz. Ansonsten gab es keine großen Versionssprünge, MySQL hat die Version 5.5, Bind wurde auf Version 2.9 aktualisiert und bei Python haben Anwender die Wahl zwischen den Versionen 2.7 und 3.2. Zwei der wenigen Ausnahmen für neue Programme sind Libre Office 3.5, das OpenOffice ablöst, und Calligra 2.4 als Ersatz für KOffice. Bemerkenswert ist noch, dass beim Standard-Webbrowser Iceweasel, einem Firefox-Clone, das Plug-in Adblock Plus automatisch vorinstalliert und aktiviert ist. Das dürfte für Unmut bei der Werbewirtschaft sorgen, insbesondere, wenn andere große Linux-Distributionen nachziehen.

[Update] Iceweasel und der Standard-Mail-Client Icedove, die Debian-Varianten von Firefox und Thunderbird, sind bereits stark angegraut: Die Debianer haben sich für die Version 10 beider Programme entschieden, die von den Mozilla-Entwicklern aufgrund ihres Alters nicht mehr gepflegt werden. Auch bei den übrigen Programmen sowie dem Kernel bietet Debian Wheezy keine aktuellen Softwareversionen – mit Absicht.

Die Debian-Entwickler entscheiden sich beim Stable Release stets für Software, die bereits lange erprobt ist und deren Probleme bereits bekannt sind. Tauchen sicherheitsrelevante Lücken oder schwerwiegende Fehler auf, so werden diese behoben – am Funktionsumfang wird jedoch nichts verändert. Zudem versuchen die Debianer, die beim Stable Release ursprünglich ausgelieferten Softwareversionen möglichst bis zum Ende des Support-Zeitraums beizubehalten. Erst mit dem nächsten Stable Release, Jessie, gibt es aktualisierte Software. Dies betrifft auch den vergleichsweise betagten Kernel, was zu Treiberproblemen auf aktueller Hardware führen kann.

Eine der Neuerungen, die von den meisten Anwendern unbemerkt bleiben dürfte, ist die Multiarch-Integration. Damit lassen sich Pakete verschiedener Prozessorarchitekturen gleichzeitig installieren, inklusive der dafür notwendigen Abhängigkeiten. Dies ist vor allem für Entwickler interessant, die mit verschiedenen Prozessorarchitekturen arbeiten.

Speziell für die Installation auf Servern bietet das Debian-Projekt die NetInst-CD als besonders kleines Installationsmedium an. Sie richtet standardmäßig keine grafische Oberfläche ein, die auf den meisten Servern ohnehin überflüssig wäre. Der Textmodus-Installer, der bei der NetInst-CD ebenfalls zum Einsatz kommt, eignet sich auch, um Debian über eine serielle Konsole eines Servers zu installieren, wenn im Rechenzentrum kein Remote-KVM zur Verfügung steht.

An Virtualisierungslösungen enthält Debian Wheezy KVM und Xen 4.1, zudem wird nun offiziell OpenStack unterstützt – die Version 2012.1 (Essex) lässt sich aus dem Standard-Repository nachinstallieren, um eine eigene Cloud aufzusetzen. [/Update]

Der neue Kernel und der neue X-Server sorgen bei Debian 7 für eine bessere Hardware-Unterstützung, ansonsten ist das neue Debian eine behutsame Weiterentwicklung der Vorgängerversion. Bleibt zu hoffen, dass die Debian-User den Wechsel zu Gnome 3 mit Gnome Shell als Standard-Desktop akzeptieren. (mid) (mid)