Reise ins Zahlenland

Im Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn ist ab heute auf 700 Quadratmetern die erste große Ausstellung des Mathematik-Jahres zu sehen: "Zahlen, bitte!"

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Von
  • Ralf Bülow

Er ist zwar nur eine Kopie aus dem Naturwissenschaftlichen Museum Brüssel – das Original blieb in der Vitrine – und ganze zehn Zentimeter lang, doch trägt er die ältesten bekannten Spuren mathematischer Tätigkeit. Auf den beiden Seiten des Knochens, der einst einem Pavian entnommen und 1960 im Kongo entdeckt wurde, zeugen 168 in Gruppen eingeteilte Kerben davon, dass Homo sapiens schon vor 20.000 Jahren addieren und auf Gleichheit prüfen konnte.

Die Nachbildung des Ishango-Knochens ist eines der vielen Exponate der Ausstellung "Zahlen, bitte! – Die wunderbare Welt von null bis unendlich", die am gestrigen Donnerstag offiziell eröffnet wurde und vom heutigen 1. Februar an bis zum 18. Mai im Heinz Nixdorf MuseumsForum Paderborn der Öffentlichkeit zugänglich ist. "Wir wollen Geschichte und Geschichten erzählen", fasst HNF-Geschäftsführer und Projektleiter Norbert Ryska den Inhalt zusammen, "die Ausstellung soll ein erstes Interesse wecken oder eine alte Liebe bestärken. Denn Zahlen sind ein bunter und lebendiger Zugang zur Mathematik."

Bunt ging es bereits am Donnerstagnachmittag bei der Eröffnungsfeier zu, die als Hitparade von 9 bis 1 organisiert war. Auf Rang 8 sprach der Gießener Mathe-Didaktiker Albrecht Beutelspacher über Pi, Platz 5 besetzte Zahlentheorie-Star Don Zagier mit Traumerlebnissen unter Primzahlen. Auf Nummer 3 zauberte Gehirnakrobat Rüdiger Gamm, danach durcheilte Comedian Heiko Grosche in sieben Minuten die Menschheitsgeschichte. Top Act war Zahlenteufelsaustreiber Hans Magnus Enzensberger mit tiefen Gedanken von der Mathematik des Glücks und ihren Grenzen.

Ein Rundgang durch "Zahlen, bitte!" beginnt mit dem Rücksturz in die 1960er-Jahre. Blechern zählt die Synthetikstimme den Countdown aus der Fernsehserie Raumpatrouille, während der Besucher auf der Rolltreppe ins Dachgeschoss des HNF schwebt wie einst Raumschiff Orion durchs Studio-Aquarium. Die Ausstellung gliedert sich in zehn Bereiche, und im Zahlenzirkus gibt es die Schäfchenzählmaschine von Patricia Waller und ein Wiedersehen mit einem Grafen aus der Sesamstraße.

Die folgende Insel beherbergt die Kulturgeschichte der Zahl und Zahlenmeister, die nächste bringt Zahlen in der Natur und die Vermessung der Welt. Dahinter wartet die knifflige Zahlentheorie mit einem Video zum Zahlensieb von Derrick Lehmer. Wem dies zu schwer ist, der kann die "Spielhölle" aufsuchen, die mit Roulette und Lotto, Würfeln, Automaten und Zufallsgeneratoren lockt und auch den kleinen tragbaren Analogrechner von Edward Thorp und Claude Shannon zeigt, mit dem die Wissenschaftler ein Casino in Las Vegas überlisten wollten.

Mathematische Völkerkunde und Zahlen im Alltag füllen die vorletzte Insel, den Abschluß bilden die rechnende Tiere, unterstützt von einem HNF-Veteranen, dem Avatar Max. Ehe es aber wieder auf die Rolltreppe nach draußen geht, muss der Besucher noch die Unendlichkeitsmaschine nach Arthur Ganson studieren und in Hilberts Hotel einchecken.

Neben den Objekten und Texten bietet "Zahlen, bitte!" 26 interaktive Medienstationen, darunter Klassiker wie das Monochord, das Galton-Brett und die Ermittlung von Pi per Stäbchenwurf. Ein Zahlenschrank mit 32 Schubladen liefert verblüffende Einblicke, der "bitmirror" spiegelt den staunenden Besucher, die Zahlensender auf Kurzwelle künden von den Aktivitäten der Geheimdienste. Als Bindeglied aller Stationen fungieren die putzigen Grafiken der Berlinerin Nadia Budde.

HNF-Direktor Norbert Ryska und seine Kuratoren sehen "Zahlen, bitte!" in der Tradition der legendären Ausstellung "Mathematica" von Charles und Ray Eames, die bald ein halbes Jahrhundert durch die USA tourt. Auch die HNF-Schau soll später auf Wanderschaft gehen. Bis es aber so weit ist, kann der Besucher in Paderborn noch das große Rahmenprogramm einschließlich "Pi-Day" und auf jeden Fall den ersten Höhepunkt im Jahr der Mathematik erleben.

Siehe zu der Ausstellung im Heinz Nixdorf MuseumsForum auch:

Zum Jahr der Mathematik siehe auch:

(Ralf Bülow) / (anw)