re:publica: Öffentlich-Rechtliche sollen kuratieren statt nur senden

Auf der re:publica wurde auch diskutiert, wie die öffentlich-rechtlichen Sender Inhalte aus dem Internet in ihre Angebot integrieren können. Auch ob die Gebührenpflicht noch zeitgemäß ist, war dabei kontrovers.

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Von
  • Torsten Kleinz

Öffentlich-rechtliche Sender machen mit Projekten wie der auslaufenden Tageswebschau oder der neuen Fact-Checking-Plattform immer wieder neue Experimente, Netzinhalte in ihr Angebot zu integrieren. Damit bleiben sie jedoch weit hinter den Möglichkeiten zur Erfüllung des Auftrags zur Grundversorgung zurück, ist ein Fazit der Berliner Konferenz re:publica. Lorenz Lorenz-Meyer forderte eine Neuorientierung des Rundfunksystems, der Mediensoziologe Volker Grassmuck will gar die Grundversorgung ohne Hierarchien und Gebührengelder gewährleisten.

„Es ist unser Rundfunk. Machen wir besseren Gebrauch davon“, forderte Lorenz-Meyer in Berlin. Der Leiter des Studiengangs Online-Journalismus an der Hochschule Darmstadt hält die Kritik an den „byzantinischen Entscheidungsstrukturen“ der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten und dem Anbiedern an das teilweise niedrige Niveau der privaten Konkurrenz für gerechtfertigt. Doch gerade jetzt in der Krise des Journalismus, dem durch die neuen Nutzungsgewohnheiten die Erlösmodelle wegbrächen, sei die Bedeutung des gebührenfinanzierten Journalismus wichtiger als zuvor. An der Gebührenpflicht will er dabei nicht rütteln: „Ich glaube, das ist eine zivilisatorische Errungenschaft“, sagte er.

Lorenz -Meyer befürwortet zwar einen möglichst umfassenden Definition der einst vom Bundesverfassungsgericht geforderten Grundversorgung, die auch Unterhaltungselemente einschließe. Doch die öffentlich-rechtlichen Sender müssten gerade in den Bereichen Profil zeigen, die den Privaten versperrt bleiben oder die nicht interessant für diese seien. Dazu müssten die öffentlich-rechtlichen Sender den Anteil des investigativen Journalismus steigern und mit Hilfe von Leuchtturmprojekten beispielsweise in Form von Werkstattberichten im Netz wesentlich transparenter machen.

Wichtig sei jedoch auch ein Blick über den Tellerrand: Zum einen wünscht sich Lorenz-Meyer, dass die öffentlich-rechtlichen in die Aggregierung von Inhalten außerhalb ihres eigenen Angebots investieren – nach Vorbildern wie der Feuilleton-Presseschau Perlentaucher oder dem automatisch arbeitenden Blog-Aggregator Rivva. Gleichzeitig sollten sie auch zur Qualifizierung Interessierter beitragen, in dem sie Weiterbildungsangebote nach dem Vorbild der BBC-Academy bieten. Dem sollte auch ein Repository von Daten bereitgestellt werden, die von den Anstalten in eine strukturierte Form gebracht werden und für Anfragen der Öffentlichkeit bereitstehen.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Volker Grassmuck – allerdings will er die Grundversorgung in die Hände der Nutzer geben. Zusammen mit anderen Wissenschaftlern Forschern des Zentrums für digitale Kulturen der Leuphana-Universität in Lüneburg hatte Grassmuck im Januar 15 Thesen zur Grundversorgung vorgestellt, denen nun ein praktisches Experiment folgen soll: Unter dem Arbeitsnamen WikiVision will er eine Plattform schaffen, die außerhalb des Dualen Systems ein Medienangebot zusammenstellt, das den Ansprüchen an die Grundversorgung möglichst nahe kommen soll.

Vorbild des Ansatzes ist die Online-Enzyklopädie Wikipedia, deren Erfolg er bei diesem „größenwahnsinnigen Projekt“ am liebsten wiederholen würde. Dazu will er mit Freiwilligen zunächst die ohnehin vorhandenen Inhalte im Netz sammeln und kuratieren. Ein Vorbild ist zum Beispiel die Plattform Network Awesome, auf der Freiwillige aus YouTube-Videos täglich mehrere Sendungen zusammenstellen. Auf diese Weise könne man eine Grundversorgungs-Playlist erstellen oder gar Themenabende zusammenstellen.

Im nächsten Schritt soll es aber auch möglich sein, gemeinsam eigene Inhalte zu erstellen und so den öffentlich-rechtlichen Sendern im Netz direkt Konkurrenz zu machen. Hier hatte Wikimedia mit dem kollaborativen Video-Editor Kaltura bereits Vorarbeiten geleistet. Ob es dazu kommt, hängt aber von der Beteiligung der Nutzer ab. Das Experiment sei ergebnisoffen, betonte Grassmuck. Er erhofft zumindest neue Impulse zur Diskussion, was Grundversorgung heute bedeutet. (mho)