re:publica: Das Internet als Nervensystem des 21. Jahrhunderts pflegen

Der Aktivist Cory Doctorow forderte zum Abschluss der Netzkonferenz, dass in alle vernetzten Geräte eine "Freiheitsschicht" eingebaut und DRM außen vor bleiben müsse. Für das Bewahren der Netzneutralität brachte er eine simple Lösung ins Spiel.

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Der Aktivist Cory Doctorow hat am Abschlusstag der re:publica ein flammendes Plädoyer für ein offenes Internet sowie freie Hard- und Software gehalten. "In alle unsere vernetzten Geräte muss eine Freiheitsschicht eingebaut werden", betonte der Boing-Boing-Blogger am Mittwoch auf der Netzkonferenz in Berlin. Es sei entscheidend, dass IT-Systeme interoperabel seien und man sie verändern könne. Andernfalls werde die Innovation enorm eingeschränkt und die Technik entfalte ihr Unterdrückungs-, statt ihr Befreiungspotenzial.

Cory Doctorow ist gegen DRM.

(Bild: Stefan Krempl)

Ein großer Dorn im Auge sind dem Science-Fiction-Autor daher nach wie vor Systeme zum digitalen Rechtemanagement (DRM). Mit diesen Verfahren, die eine zentrale Überwachungseinheit auf einem Rechner installieren und den Nutzer über den tatsächlichen Ablauf von Prozessen belügen müssten, gehe nicht nur die Transparenz flöten. Vielmehr entwickelten die damit verseuchten Geräte die Möglichkeit, "uns zu versklaven". Besonders gefährlich sei in diesem Zusammenhang die Nonchalance vieler Hacker, die meinten, dass sie DRM in ihren eigenen Systemen mit einem Debugger mit einem Handstreich beseitigen könnten. Diese Einstellung helfe wenig in einer Welt voller Tablets, digitaler Implantate und integrierter Systeme, die nicht mehr frei manipulierbar seien.

Als Beispiel für die schädlichen Folgen von technischen Kopierblockaden führte Doctorow die DVD ins Feld. Während man die Inhalte einer vor 20 Jahren ohne DRM gekauften CD etwa auf den eigenen Rechner übertragen und in Archive einfügen könne, sei ein Film auf einer DVD nur abspielbar. Jeglicher Zusatznutzen werde dagegen geblockt, alle Anwendungsmöglichkeiten lägen in der Hand der auf Gewinnmaximierung bedachten Hersteller und Inhalteproduzenten. Dazu komme, dass die Politik den technischen Kopierschutz zusätzlich rechtlich mit Verträgen über die Weltorganisation für geistiges Eigentum (WIPO) abgesichert und damit eine gänzlich falsche Entscheidung getroffen habe.

Das Internet sei aber kein nach Belieben von den alten Mächten und Gesetzgebern regulierbares Telefonnetz und schon gar kein "Faxgerät, das mit einem Waffeleisen verbunden ist", unkte der Kanadier. Es sei auch nicht einfach die Wiederkunft des Kabelfernsehens, eine gigantische Shoppingmeile oder ein überdimensionierter Distributionskanal für Porno. Vielmehr bilde es "das Nervensystem des 21. Jahrhunderts". Das Netz umfasse "alles, was wir heute und morgen machen", und müsse entsprechend sorgfältig behandelt werden.

Als eine Grundbedingung für den Fortbestand des offenen Internet bezeichnete Doctorow eine rasche Absicherung der Netzneutralität. Die Regierungen verrieten dieses Prinzip gerade an die Telcos, wetterte der Freiheitskämpfer. Doch wenn die Strippenzieher tatsächlich "profitable Netzwerke" betreiben wollten, müssten sie die ganzen öffentlichen Gelder zurückzahlen, die längst in den Aufbau von Breitbandnetzen durch direkte finanzielle Förderung oder durch Garantie des dafür benötigten rechtlichen Investitionsrahmens geflossen seien.

Die Kosten für das Errichten von Netzinfrastruktur lägen bekanntlich auf dem freien Markt im Billionenbereich, führte Doctorow aus. Alle Betreiber genössen dabei öffentliche Unterstützung in der ein oder anderen Weise und müssten dafür das Netz im Gegenzug offen halten. Andernfalls sollte jeder Hausbesitzer seinen Betreiber unmissverständlich auffordern, "sein Kupfer binnen 60 Tagen" aus der Erde zu buddeln, da die Leitungen nicht den bestmöglichen Nutzen im Allgemeininteresse entfalteten. (bo)