ICRA: Unheimliche Roboter

Am letzten Tag der "International Conference on Robotics and Automation" in Karlsruhe wurde unter anderem über die Angst vor humanoiden Robotern diskutiert.

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Von
  • Hans-Arthur Marsiske

Die Roboter kommen näher. Und das hat Konsequenzen. Die fasste Yoshihiko Nakamura von der University of Tokyo mit dem Satz zusammen: "Robotics must meet the humanities.“ Das lässt sich auf Deutsch nicht ganz so griffig formulieren, weil es keine direkte Entsprechung für "humanities“ gibt. Gemeint ist, dass die Robotik mehr und mehr zu einem kulturellen und geisteswissenschaftlichen Thema wird. Darüber wurde am letzten Tag der Roboterkonferenz ICRA (International Conference on Robotics and Automation) in Karlsruhe im Rahmen des Science Forums diskutiert, das Nakamura gemeinsam mit Giulio Sandini vom Istituto Italiano di Tecnologia (IIT) organisiert hatte. Es wurde die spannendste Veranstaltung der gesamten Konferenz.

Die menschliche Figur repräsentiert die Natur des Menschen? Da kann der iCub, hier am Ausstellungsstand der TU München, nur die Augen verdrehen.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Üblicherweise wird bei Robotikkonferenzen über die Einstellung von Menschen gegenüber Robotern fast ausschließlich unter Marketinggesichtspunkten gesprochen. Da gilt es dann, negative Haltungen zu überwinden, indem etwa der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes die Botschaft "Roboter schaffen Arbeitsplätze“ entgegengesetzt wird. Dagegen fragte Sandini jetzt, ob die verbreitete Ablehnung von Robotern wirklich nur ein vorübergehendes Phänomen sei oder vielleicht doch tiefere Gründe dahinter stünden. Die zunehmende Präsenz von Robotern verändere die Gesellschaft. Diese Veränderungen ließen sich ohne Geisteswissenschaftler und Kulturschaffende nicht bewältigen.

Besondere Bedeutung kommt dabei den humanoiden Robotern zu. Die menschliche Figur repräsentiere unbewusst die unsichtbare menschliche Natur, sagte Nakamura. Es werde Zeit, dass die reale Forschung die Frage aufgreife, die bislang nur in der Science Fiction gestellt wurde: Wie menschlich können Roboter werden?

Einige Referenten holten weit aus. Yasunori Kasai (University of Tokyo) etwa behandelte die Bedeutung des "Unheimlichen“ im antiken Griechenland. Dort wurden insbesondere die Götter oft als unheimlich empfunden. In künstlerischen Darstellungen sähen sie zwar zumeist menschlich aus und würden sich wie Menschen benehmen, so Kasai, blieben dabei aber stets undurchschaubar. Auch ihre wahre Gestalt sei letztlich unbekannt.

Kasai stützte sich unter anderem auf das Essay "Das Unheimliche“ von Sigmund Freud aus dem Jahr 1919, das auch von Willard McCarty (King‘s College London) zitiert wurde. McCarty fragte, ob dieses Gefühl des Unheimlichen unbedingt überwunden werden müsse. Möglicherweise biete es auch eine Gelegenheit, die menschliche Natur besser zu verstehen. Das Verhältnis von Menschen und Robotern nach dem Modell von Herr und Sklave zu gestalten, hielt er für einen großen Fehler und zeigte sich überzeugt, dass der Blick in die Augen eines Roboters eines Tages ähnliche Empfindungen hervorrufen werde wie es ein Forscher nach der Begegnung mit einem Menschenaffen beschrieben hat: Er hatte keinen Zweifel, in den Augen eines Bonobo ein intelligentes, empfindsames Wesen erkannt zu haben.

Ungewohnter Anblick bei einer Wissenschaftskonferenz: Performance-Künstler Marcel.li Antúnez Roca steuert durch seine Bewegungen und mit der Stimme in Echtzeit die Bilder auf der Leinwand.

(Bild: Hans-Arthur Marsiske)

Ähnlich wie McCarty zeigte sich auch der Filmemacher Giacomo Cimini überzeugt, dass mit Robotern die nächste Stufe der Evolution beschritten werde. Der Performance-Künstler Marcel.li Antúnez Roca, Mitbegründer der Theatergruppe La Fura dels Baus, zeigte schließlich, wie er mit verschiedenen Medien und Techniken wie Exoskeletten arbeitet und dabei auch die Zuschauer in die Gestaltung der Aufführungen einbezieht.

Das Forum brachte eine so große Fülle von Ideen und Eindrücken zusammen, dass am Ende offenbar niemand wusste, wo eine Diskussion am besten ansetzen könnte. Wahrscheinlich waren auch alle ein bisschen erschöpft. Aber immerhin haben die hier thematisierten Fragen offenbar bereits die politische Ebene erreicht. Carme Torras vom spanischen Forschungsrat CSIC konnte jedenfalls mehrere Gremien nennen, bei denen Science-Fiction-Autoren beteiligt waren. Und Olivier Da Costa stellte für die Europäische Union das Programm Futurium vor, in dem es um die Suche nach Politikideen für die Realisierung langfristiger gesellschaftlicher Visionen geht.

Eindrucksvoll war das Beispiel, das Da Costa nannte, um die Bedeutung geisteswissenschaftlicher Perspektiven und Denkweisen zu unterstreichen. Demnach hätten die meisten Firmen der Mobiltelefonie anfangs kein großes Marktpotenzial beigemessen. Lediglich Motorola habe daran geglaubt, dass es jenseits von professionellen Nutzern wie etwa Rettungsdiensten noch größeres Interesse an der Technik geben könnte. Das überzeugende Argument kam von Literaturwissenschaftlern: Die Geschichte von Romeo und Julia wäre anders verlaufen, wenn sie die Missverständnisse per Mobiltelefon gleich hätten klären können. (se)