Klartext: Schwermut im Leichtbau

Praktisch jeder Artikel über "Leichtbau" verursacht mittlerweile tiefe Depressionen. Der Lamborghini Gallardo Superleggera etwa ist ein wunderbares Auto auf seine italienische Operettenart, aber er ist überhaupt nicht "superleggera", sondern eine fette Schlotze

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Von
  • Clemens Gleich
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Praktisch jeder Artikel über "Leichtbau" verursacht mittlerweile tiefe Depressionen. Der Lamborghini Gallardo Superleggera etwa ist ein wunderbares Auto auf seine italienische Operettenart, aber er ist überhaupt nicht "superleggera", sondern eine fette Schlotze. Mit irrem Aufwand haben Lambos Laminierer Kohlefaserplatten gebastelt, die am Ende für ein Minus von 70 kg sorgen. Minus 70 kg sind höchst erfreulich bei einem Supersportmotorrad. Minus 70 kg, um zu einem Gewicht von 1340 kg zu kommen, das ist besser als nichts, aber es "Leichtbau" zu nennen, ist entweder Kundenverachtung oder ein Witz. Wir von der Presse setzen dann meist noch einen obendrauf und schreiben "konsequenter Leichtbau". Damit möchten wir unsere allgemeine Ahnungslosigkeit demonstrieren. Wirklich konsequenter Leichtbau fängt in der Konstruktion an. Ein Ariel Atom ist konsequent leicht konstruiert. Ein Gallardo ist konsequent schwer gebaut, und daran nachträglich noch was zu ändern, ist ziemlich hoffnungslos, wie Lamborghini selber zeigt. Ein Reihenhaus mit Betonfundament wird nie ein gutes Camping-Zelt werden, egal, wie viel Geld man reinsteckt. Denn das Geld wandert üblicherweise nicht in einen Neuanfang, sondern in bestehende Details.

Der Porsche 911 GT3 RS demonstriert sehr schön, wo das Denkproblem liegt. Er hat kein Radio, weil das etwas wiegt. Dieser Gedanke ist soweit logisch. Der Porsche bringt jedoch ohne dieses Radio fast anderthalb Tonnen Lebendgewicht auf die Waage. Das ist wie im Büro, wo der Kollege "Jabba the Hutt" auf fettarmer Milch an der Kaffeemaschine besteht. "Es liegt nicht an der Milch!", möchte man ihm ins Hirn schreien, genauso wie jemand Porsche sagen sollte: Es liegt nicht am Radio! Es gibt kein Autoradio, das eine halbe Tonne wiegt, die man dann einfach weglässt. Lass das Radio mal Radio sein, geh zum CAD-Reißbrett und schau dir endlich deine Grundkonstruktion an. Dann würdest du uns nämlich auch nicht immer "aber die Leute wollen ESP" als Ausrede auftischen. ESP ist wie das Radio: ein Detail. Darüber können wir später sprechen, wenn wir mal grundsätzlich auf einen leichten Nenner gekommen sind.

Aber kommen wir zu finanziell erreichbarerem Material, kommen wir zum neuen Golf GTI. Volkswagen ist ja höchst stolz darauf, dass die neuen GTI-Generationen nicht mehr über das Doppelte der ersten Generation wiegen, sondern nur noch fast das Doppelte. Wenn man den Zeitraum nur klein genug macht, findet man einen Fortschritt. Nüchtert man sich jedoch bewusst aus, macht diesen mentalen Schritt zurück, dann muss einem doch etwas komisch vorkommen. Wieso wiegt ein Auto, bei dem die Hinterräder nur dazu da sind, dass der Kofferraum nicht am Boden schleift, genauso viel wie die fette Allradschlotze Gallardo Superleggera? Ich habe den GTI bei meinem Test penibel auf versteckt hinter der Verkleidung montierte Bleiplatten untersucht, aber nicht mal ein Reserverad gefunden. In der Vertiefung lag kundengerecht ein (vergleichsweise leichter) Subwoofer.