Flatrate-Drossel: Schlagabtausch zur Netzneutralität im Bundestag

Die Fraktion der Linke möchte das Prinzip des offenen Internets endlich gesetzlich festgeschrieben wissen und wird vom Rest der Opposition grundsätzlich unterstützt. Die Koalition sieht zunächst die Bundesnetzagentur gefordert.

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Die Fraktion der Linken möchte angesichts der hitzigen Debatte über die Flatrate-Drossel der Deutschen Telekom die Netzneutralität endlich gesetzlich festschreiben und wird vom Rest der Opposition grundsätzlich unterstützt. Halina Wawzyniak rieb sich bei der 1. Lesung der Bundestagsinitiative (PDF-Datei) am Donnerstagabend im Namen der Antragsteller vor allem am Vorhaben des Rosa Riesen, "Managed Services" wie den eigenen TV-Dienst Entertain nicht auf das monatliche Datenvolumen anrechnen zu wollen. Damit suggeriere der Bonner Konzern anhand nebulöser Bestimmungen, dass diese "irgendwie keine normalen netzbasierten Dienste" seien. Doch mit den Prinzip des offenen Internets habe "das alles nichts mehr zu tun".

Flatrate-Kappung und Netzneutralität

Seit dem 2. Mai sieht die Telekom Volumengrenzen für ihre Internet-Flatrates vor. Begründung: Das Datenvolumen steigt, der Ausbau der Netze kostet Geld, nur wenige User erzeugten einen großen Anteil am Traffic. Kritik wurde schnell laut: Die Backbones hätten bei weitem genug Kapazität auch für steigende Datenvolumen. Und die Telekom bevorzuge eigene Angebote wie den IPTV-Dienst Entertain oder von Partnern wie Spotify. Die Telekom zielt mit dem Übergang zu Next Generation Networks (NGN) darauf ab, aus dem "Best-Effort"-Internet eine Ansammlung von "Managed Services" zu machen, die ihr Kontrolle und Monetarisierung ermöglichen.

Die Telekom betreibe Augenwischerei mit ihrer Behauptung, dass nur Vielnutzer abgebremst würden, wetterte die Linke laut den nur zu Protokoll gegebenen Redebeiträgen weiter. Die Kosten, die durchs Surfen im Netz entstünden, seien nämlich "absolut überschaubar". Allein entscheidend seien die erforderlichen Aufwendungen für den Netzausbau. Diese fielen "so oder so an", egal ob die Infrastruktur viel oder wenig genutzt werde. Zum anderen seien die Datenvolumina mitnichten ausreichend, um das Internet "im normalen Umfang" in Anspruch zu nehmen. Die Folge sei ein Zwei-Klassen-Internet: "Die einen bekommen Basisfunktionen, die anderen, die es sich leisten können, den vollen Umfang".

Für die SPD erinnerte Martin Dörmann daran, dass seine Fraktion schon vor zwei Jahren einen Antrag "zur nachhaltigen Sicherung der Netzneutralität" eingebracht habe. Leider weigere sich Schwarz-Gelb bis heute, über "lediglich abstrakte Ermächtigungen hinaus konkretere gesetzliche Vorgaben" dazu vorzunehmen. Die aktuelle Debatte zeige, wie falsch es gewesen sei, das Prinzip des offenen Netzes nicht in der jüngsten Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zu verankern. Durch den gleichberechtigten Datentransport bestünden "optimale Teilhabebedingungen und geringe Marktzugangsbarrieren".

Der Bundesregierung warf Dörmann vor, zu dem Thema "gerne symbolische Reden" zu halten, sonst aber "durch Untätigkeit" zu glänzen. Auch die jüngsten Äußerungen aus dem Kabinett dürften so "bloße Worthülsen bleiben". Obwohl die Legislaturperiode bald auslaufe, liege nach wie vor nicht einmal "ein Entwurf für eine Rechtsverordnung zur Absicherung der Netzneutralität vor". Die Sozialdemokraten setzten nun auf eine von Nordrhein-Westfalen angekündigte Bundesratsinitiative, da der Vorstoß der Linken trotz einiger guter Kriterien "zu knapp" und teils zu unpräzise sei.

"Wie man die Netzneutralität sichert, ist eine der Schlüsselfragen der digitalen Gesellschaftspolitik", konstatierte der Grüne Konstantin von Notz. Der Telekom-Fall habe gezeigt, dass der "Laissez-faire-Ansatz" der Koalition hier "krachend gescheitert" sei. Die Grünen kämpften seit Langem "für eine echte Netzneutralität, sowohl auf deutscher wie auf europäischer Ebene". Eine gesetzliche Regelung sei nun "mehr als überfällig".

Für die CDU/CSU-Fraktion sprach Peter Tauber von "angebrachten Zweifel", ob die Telekom gegen die Netzneutralität verstoße. Hier sei das Ergebnis der laufenden Prüfung der Bundesnetzagentur abzuwarten. Darüber hinaus habe Schwarz-Gelb das Prinzip des offenen Internets "längst gesetzlich verankert": Sie habe der Bundesregierung mit der TKG-Reform prinzipiell die Mittel in die Hand gegeben, über eine Verordnung "gegen eine willkürliche Verschlechterung von Diensten und eine ungerechtfertigte Behinderung oder Verlangsamung des Datenverkehrs" vorzugehen.

Netzneutralität bedeutet für den Christdemokraten aber "nicht Flatrate für alle und das möglichst günstig". Die Ankündigung der Telekom sei trotzdem "nicht klug" gewesen. Sehr kritisch sei der Plan der Bonner zu sehen, bestimmte Angebote von einer Anrechnung auf das Datenvolumen auszunehmen. Hier erfolge "im Zweifel die Diskriminierung von Diensten Dritter quasi per Ansage, und das wäre in der Tat ein glasklarer Verstoß gegen die Netzneutralität". Um dagegen vorzugehen, brauche es aber keine neuen Gesetze, sondern "die zuständige Aufsicht und die Regulierungsbehörden müssen handeln".

Der CSU-Politiker Georg Nüßlein empfand es als nachvollziehbar, wenn ein Netzbetreiber seine Tarife "vor dem Hintergrund der in den letzten Jahren explosionsartig angestiegenen Datenvolumina in den nicht endlos zur Verfügung stehenden Netzen erhöht". Die Linke schwätze unüberlegt daher, dass das offene Internet den Profitinteressen großer Provider geopfert werde. Das Transferaufkommen müsse Anreiz für Wirtschaft und Politik sein, "mehr Geld in die Netze zu investieren", damit diese mit Angebot und Nachfrage mithalten könnten. Sonst werde das "Best-Effort-Prinzip", wonach Netzpakete mit der gleichen Priorität behandelt und schnellstmöglich in bestmöglicher Qualität weitergeleitet werden, wegen verstopfter Leitungen bald nicht mehr funktionieren.

Das Thema Netzneutralität sei "sehr komplex und bedarf weiterer Auseinandersetzung", betonte der Christsoziale. Dabei gehe es aber nicht "um den Sozialismus in den Netzen". Sachlich zu diskutieren sei über die Frage einer eventuellen Bevorzugung eigener Dienste und den Erhalt von Best Effort. Gleichzeitig rügte Nüßlein die Öffentlichkeitsarbeit der Telekom: "Pläne, Datenmengen und Zeiträume nur scheibchenweise herauszurücken, macht mich jedenfalls erst einmal eher skeptisch, was denn da eventuell noch alles kommt."

Die Liberale Claudia Bögel erklärte, dass "die Bedeutung und der Erfolg des Internets auf dem Grundsatz der Netzneutralität beruhen". Die diskriminierungsfreie Übertragung aller Datenströme sichere Chancengleichheit und Wettbewerb. "Populistische Schnellschüsse" trügen aber nicht zu praktikablen Lösungen bei. Der FDP-Netzpolitiker stellte sich "nicht grundsätzlich gegen eine gesetzliche Regelung". Er glaube aber, "dass die vorhandenen Instrumente ausreichen". Internetgesetze hätten nur in den seltensten Fällen das Netz besser gemacht. (mho)