Google I/O: Stolpersteine auf dem Weg zur internationalen App

Für Programmierer wird es immer wichtiger, die Bedürfnisse einer mehrsprachigen Kundschaft zu bedienen. Sie müssen ihre Apps internationalisieren und lokalisieren – das ist nicht dasselbe.

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Nur für gut jeden vierten Internetnutzer ist Englisch die erste Sprache. Und gerade in nicht englischsprachigen Ländern ist der Zustrom neuer Nutzer besonders hoch. Auch der Umsatz mit digitalen Gütern und Dienstleistungen steigt in diesen Ländern. Für Programmierer wird es daher immer wichtiger, die Bedürfnisse einer mehrsprachigen Kundschaft zu bedienen. Auch wenn nicht gleich zu Beginn viele Sprachen unterstützt werden, sollte schon bei der Programmierung für Internationalisierung (i18n) und Lokalisierung (L10n) geplant werden. Auf Googles Entwicklerkonferenz I/O ging Manish Bhargava auf Stolpersteine und hilfreiche Werkzeuge ein.

Internationalisierung und Lokalisierung sind keineswegs synonym. Bei Internationalisierung geht es um die Unterstützung anderer Sprachen und die Berücksichtigung regionaler Unterschiede etwa bei Datumsangaben. Bei der Lokalisierung stehen "Look and Feel" nach regionalen Usancen im Vordergrund. "Entwerfen Sie Ihr Produkt so, dass es sprachunabhängig ist", sagte Bhargava, "Das ist kein Luxus, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit. Und es ist viel mehr als nur Übersetzen."

Die Zielmärkte könne man anhand der Größe der jeweiligen Zielgruppe, dem erwarteten Umsatz und die Konkurrenzsituation auswählen. Manche gehen lieber dorthin, wo die Konkurrenz noch schwach ausgeprägt ist. Ein Europa spielt der Datenschutz eine größere Rolle, in China, dem Iran und anderen Ländern muss man sich mit der Zensur herumschlagen. Nicht zuletzt spielen die lokalen Gegebenheiten auch beim Vertrieb eine wichtige Rolle. So müssen Metadaten und Screenshots angepasst werden – ein "Max Mustermann" wird in Korea auf Unverständnis stoßen. Und die Optimierung für Suchmaschinen wird fehlschlagen, wenn man die passenden Suchbegriffe nicht kennt.

Mit der Übersetzung des User Interface ist es jedenfalls nicht getan. Je nach Programm sollten auch Bilder, Landkarten, Maßeinheiten, Währungen und ihre Notationen, Datumsformate, Adressschreibweisen und Postleitzahlformate, die Richtung des Schriftverlaufs (der in einem Text nicht immer einheitlich sein muss), Telefonnummernformate und so weiter variabel sein. Selbst die Reihenfolge der Zeichen im lateinischen Alphabet ist uneinheitlich. Zudem kann die Länge des Texts für den selben Inhalt von Sprache zu Sprache stark abweichen. Das muss beim Design berücksichtigt werden.

Auch Inhalte eines Programms müssen angepasst werden: Ein Spiel für Kinder, das einen Bauernhof simuliert, wird in manchen Ländern ohne Kühe oder Schweine auskommen müssen. Kommen jedoch Städte vor, sind vielleicht Tokio und Osaka die bessere Wahl als Hannover und Hamburg, um die emotionale Beziehung zwischen Nutzer und Software zu stärken.

"Ihr Interface sollte nicht als US-Version empfunden werden, die kosmetische Korrekturen erfahren hat", sagte Bhargava. Er teilte auch Erfahrungen, die bei Google selbst gemacht werden mussten. In einer früheren schwedischen Version von Google Maps stellte das Unternehmen eine auffallend geringe Nutzung der Routenfunktion fest. Dabei verrichtete sie ihren Dienst ordentlich. Erst mit Hilfe einer schwedischen Beratungsfirma wurde erkannt, dass statt "Route berechnen" die entsprechende Schaltfläche mit der schwedischen Entsprechung von "Anleitung" bezeichnet war. Sobald das korrigiert war, stieg die Routennutzung auf das in den Nachbarländern übliche Niveau.

Ein anderes Beispiel: Google Video. Suchen mit Zeichen, die nicht im ASCII enthalten sind, schlugen fehl. Das Uploadprogramm unterstützte kein Unicode, Server und Zuschauersystem hatten meist unterschiedliche Zeichenkodierung, das Datenbankbackup war unter Umständen wieder anders und so fort. Google Video ließ auch keine Suchbegriffe mit weniger als drei Zeichen zu. Das kann auf Englisch oder Deutsch sinnvoll sein, bei Chinesisch sieht die Sache aber schon anders aus. "Wir haben dabei viel gelernt", gab Bhargava zu. Nicht zufällig stellt Google eine Reihe von Werkzeugen für die Internationalisierung bereit.

Der intensive Einsatz von Bibliotheken drängt sich auf. Etwa der International Components for Unicode, der Telefonnummernbibliothek oder der Adressbibliothek. Zudem können Nutzer auf Erweiterungen zurückgreifen, wie etwa die Google Input Tools. Diese Erweiterung unterstützt über 70 Sprachen mit verschiedenen Eingabemethoden. Google hat auch eine eigene Schriftart namens Pan-Unicode Font (Noto) entwickelt, die sehr viele Zeichensätze abdeckt und damit die eckigen Fehlzeichen (Tofus) vermeiden soll. Noto steht für "No Tofus". Für die Schriftart gilt die Apache Lizenz 2.2. (vbr)